Die Botschaft der 23sten Inkarnation


Einleitender Appell!

Dieser Abschnitt des Buches ist eigentlich nur geschrieben, um dafür Sorge zu tragen , dass du es, ich meine dieses Buch, das du in den Händen hältst, sofort aus den Händen nimmst und ins Regal stellst.
Denn...
Eigentlich ist es nicht zu empfehlen, dieses Buch zu lesen.
Wenn es Dir geschenkt worden ist, solltest Du darüber nachdenken, wer es Dir geschenkt hat und den Schenker sofort verdächtigen, Dich manipulieren zu wollen.
Leg es lieber zur Seite.
Pack das Buch ein, verschenke es weiter.
Vielleicht an jemanden, den Du nicht leiden kannst.
Dieses Buch ist nämlich gefährlich.
Wer es ernsthaft liest, läuft Gefahr, hinterher ein anderer Mensch zu sein.
Er läuft Gefahr, die Worte dieses Buches zu glauben, sie nicht als Humbug abzutun und dann...
Leg es lieber zur Seite.
Sag nicht, Du wärest nicht gewarnt worden.
Dieses Buch kann genau so gut manipulieren, wie die Bhagavat-Gita; in diesem Zusammenhang fiel mir als erstes die Bhagavat-Gita ein, weil sie für mich so überzeugend war, als ich sie im Alter von etwa fünfunddreißig Jahren gelesen habe, dass ich genau weiß, was ich in jüngeren Jahren nach der Lektüre dieses Buches gemacht hätte. Ich würde wohl seitdem Hare Krsna singenderweise durch die Lande ziehen.
Du solltest also schon gefestigt sein, wenn Du dieses Buch nicht weiterverschenkst oder einfach in ein Regal stelltest.
Nur, wenn Du es in ein Regal gestellt hast, was sagst Du dann deinen Gästen, wenn sie fragen, ob Du es gelesen hast?
Stell es lieber in die hinterste Ecke.
Ich jedenfalls übernehme keine Verantwortung.
Was hier steht ist die Wahrheit, wie sie ist, vielleicht bin ich der erste, der sich traut, sie zu verkünden, aber ob ich mich letztendlich mit diesem Wissen wohler fühlen kann, als vorher...
Sag nicht, ich hätte Dich nicht gewarnt.
Dieses Buch zu lesen erwartet ein Verantwortungsbewusstsein für sich und den Planeten, sowie für die Mitmenschen.
Vielleicht hast Du ja Glück und bei dieser Ausgabe handelt es sich um einen Sonderdruck. Wir haben bei jeder zehnten Ausgabe auf den Text innerhalb des Buches verzichtet, weil wir ihn für gefährlich halten.
Jeder Mensch, der sich für normal hält, sollte spätestens jetzt das Buch zur Seite legen oder hoffen, dass die folgenden Seiten nicht bedruckt worden sind.

Dieses Buch verändert.

Niemand kann es lesen, ohne in seinem tiefsten Selbst verändert oder erschüttert zu werden. Ich kann allerdings tatsächlich keine Empfehlung geben, wie alt ein Leser mindestens sein sollte. Manch einer kann es lesen, wenn er in Rente gegangen ist, ein anderer wenn er sein Studium abgeschlossen hat.
Außerdem ist es so, dass die Zeit drängt, also fangen wir an.


*





Aller Anfang ist schwer.
Seit ich mich erinnern kann, stand ich solchen oder ähnlichen Sprichwörtern eher skeptisch gegenüber, bis...
Ja bis ich gerade beim Anfang dieses Buches feststellen musste, wie wahr Sprichwörter sein können.
Der Titel des Buches stand schon sehr früh fest,

DIE BOTSCHAFT DER DREIUNDZWANZIGSTEN INKARNATION.

Um ehrlich zu sein, war dieses Buch schon seit langer Zeit in irgendeiner Form präsent, wenn wir tiefer in die Materie eingestiegen sind, werden wir feststellen, dass es eine Entstehungsgeschichte hat, die über einige Jahrhunderte geht, ohne dabei die Dramatik der jüngsten Kapitel erreichen zu können.
Vielleicht hätte man es auch dreiundzwanzig Biographien nennen können, wobei es sicher schwer gefallen wäre, die notwendigen Zusammenhänge herzustellen.
Aller Anfang ist schwer.
Wo fängt man an, wenn sich die Handlung eines Buches über einige Jahrhunderte erstreckt?
Nun, ich konnte nicht ganz vorne beginnen, weil ich Wert darauf legte, bei aller möglichen Chronologie, dem Leser die Möglichkeit des Nachvollziehens zu geben, denn ohne eine Schlüssigkeit der Ereignisse haben wir keine Chance, das Geschehene zu akzeptieren.
Ich entschied mich dafür, so profan wie möglich anzufangen, mit biographischen Einzelheiten des Lebens, was sich später als die dreiundzwanzigste Inkarnation entpuppen sollte, weil es der einzig denkbare Anfang war, den man dem Leser zumuten konnte, denn ich kann nicht schon auf den ersten Seiten mit Eröffnungen kommen wie, ich habe von 1743 bis 1795 als Alchimist nach dem Stein der Weisen gesucht.
Oder, mein Name war Polonius, meine Argumente hießen Gewalt.
Nein, dieser Anfang ist wirklich mehr als schwer, doch gibt es nun im Hier und Jetzt Umstände, die mich dazu bewegen, dieses niederzuschreiben und mit der Wahrheit nicht hinter dem Berg zu halten.
Nun werden sich einige Leser fragen, welche Wahrheit meint der denn, diese oder jene, oder vielleicht noch eine andere?
Ich weiß, dass es die Wahrheit in dieser Form nicht gibt. Es gibt Erfahrungshorizonte und Realitätstunnel, die sich mehr oder weniger erheblich von denen anderer unterscheiden.
Nun, wir wissen, es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die uns unsere Schulweisheit nicht lehrt.
Und diese Dinge sind es letztendlich, die übrig bleiben, wenn man sich von dem abwendet, womit die Herren der Welt uns beschäftigen wollen. Aber wir wollen uns hier nicht mit den Herren der Welt oder irgendwelchen Verschwörungsszenarien beschäftigen, zum einen, weil ich kein Interesse daran habe, dieses Buch verboten zu sehen, wie die beiden ersten Bücher Jan van Helsings und zum anderen, weil uns die Beherrscher dieses Planeten nur am Rande zu interessieren haben, denn auch sie können das kommende Geschehen nicht mehr beeinflussen, als jeder andere Bewohner dieses Planeten.
Aller Anfang ist schwer, ein Anfang ist gemacht, wie er auch immer gestaltet sein mag, die Frage bleibt, wie fängt man an, wenn man etwas schreibt, was noch kein Mensch zuvor geschrieben hat, kein Erich von Däniken, kein Jan van Helsing und kein Karl Mai, wobei Karl Mai nur zufällig in diese Aufzählung gelangte. Ich schätze die Werke der beiden vorgenannten sehr, denn sie haben sicher zu einem nicht unerheblichen Teil zu dem beigetragen, was ich als Wahrheit hier und jetzt verkünden will. Erich von Däniken hatte den Mut als einer der ersten in aller Öffentlichkeit Paläo Seti Thesen zu verkünden und trotz aller Anfeindungen gelang es ihm ein Wegbereiter für viele nach ihm zu werden. Jan van Helsing ging in seiner Recherche so weit, dass seine beiden ersten Bücher in der Bundesrepublik Deutschland, sowie in Österreich und Italien verboten wurden und er ein Buch über das Verbot, die Akte Jan van Helsing schreiben konnte.


*





Gut, fangen wir an mit einem Leben, wie es viele andere gibt, mit einem Leben, beginnend in einer deutschen Kleinstadt in den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, ohne zu wissen, wie viele es vorher waren und, dass es überhaupt vorherige Leben gab.
Nach Jahren normalen Lebens, kam es zu Ereignissen, die sich puzzlesteingleich zu einem Mosaik zusammenzufügen schienen, ohne, dass es notwendig gewesen wäre, noch selber dabei tätig zu werden. Stein für Stein kam dazu und fand scheinbar mühelos seinen Platz, als hätte gerade diese Stelle des Puzzles hier und jetzt gefüllt werden müssen. Gleichfalls einer Umkehr dessen entsprechend, was Roger Waters mit THE WALL in genialer Weise in Szene gesetzt hatte, setzte sich bei mir, beginnend mit meinem zehnten Lebensjahr, Stein für Stein zusammen.
In späteren Jahren ließ sich dann auch noch erfahren, dass es auch schon vorher Kleinstteile gegeben hatte, wie zum Beispiel ein Ereignis das ich im Alter von etwa zwei Jahren hatte.
Ich saß auf dem Fußboden in der Küche, in der sich ohnehin das ganze Familienleben abspielte, vom Baden bis zum Bumsen meiner Eltern, denn wenn sie gebumst haben, dann nur in der Küche, denn im Schlafzimmer schlief ich.
Das Wetter muss gut gewesen sein, denn ich erinnere mich, helles Licht zum Fenster hereinkommen gesehen zu haben, was schon eine Seltenheit war, war doch die Küche nicht nur der größte, sondern auch der dunkelste Raum unserer Zweizimmerwohnung.
Was ich da erlebte war eine Art überfallartiges Icherlebnis, vielleicht der bewußte Eintritt in die autonome Phase, von einer Sekunde zur anderen; so würden zumindest Freudianer argumentieren.
Ich saß also in der Küche, inmitten meiner Spielsachen, auf dem Boden, blickte zum Fenster auf und wurde ganz plötzlich ich.
Alles was andere Personen waren, meine Eltern, wurden diffuse Schatten - ich fühlte mich als Intellektueller, der von züchtigen Bürgern der Unterschicht aufgezogen werden sollte und ich fühlte mich uralt, weise und überlegen, ohne diese Begriffe überhaupt zu jener Zeit gekannt zu haben.
Es war der Augenblick, denn länger dauerte es nicht, in dem ich erstmals klar zu denken vermochte und ich hoffe, es ist nicht der letzte Augenblick geblieben.
Aus heutiger Sicht kann ich natürlich viele Erklärungsversuche starten, ohne dem tatsächlichen Geschehen damit auch nur annähernd näher zu kommen; also lasse ich es sein.
Ich kann noch nicht einmal behaupten, dieser Tag wäre der Beginn eines bleibenden Erinnerungsvermögens gewesen, auch wenn ich mit Sicherheit weiß, dass mich viele andere Menschen aufgrund meines außergewöhnlichen Gedächtnisses beneiden. Leider scheint es tatsächlich so zu sein, dass es einige wenige Tage in meinem Leben zu geben scheint, von denen mir Stunden in meinem Gedächtnis fehlen, als habe sie jemand gelöscht, wie man es bei einem Computer macht. Nur glaube ich immer noch an die Reversibilität dessen, was ich in meinem Leben erlebte, eben aufgrund der Tatsache, dass ich eigentlich noch alles weiß, was mich irgendwann einmal beschäftigt hat und weil ich weiß, dass man bestimmte Programmgruppen von Datenbänken in Computern nicht so ohne Weiteres zu löschen vermag, weil sie zu sehr vernetzt sind, um wesentliche Teile des Datengefüges nicht wiederherstellen zu können. Fragt sich nur, wer die Daten in meinem Biocomputer zu löschen versucht hat.
Dieser Augenblick, an den ich mich so genau erinnere, gleichsam das Erwachen meines Intellektes von jetzt oder später, zeigte mir jedenfalls schon damals und für die kommenden Jahre, daß die Welt nicht mit den fünf Sinnen zu erfassen und zu begreifen ist.

Vom ersten Moment, als es irgendwie möglich war, unterschied ich mich von anderen Menschen dadurch, dass ich nicht alles aß.
Meine Eltern verstanden es nicht, aber für mich war es völlig undenkbar, tierische Produkte zu essen. Ich aß alles, so lange es sich um Pflanzen und deren Früchte handelte. Bis zu meinem fünften Lebensjahr retteten sich meine Eltern noch mit der Behauptung Bockwürste wüchsen auf Bäumen und brachten mich so zu deren Verzehr. Doch als mir niemand die Bockwurstbäume zeigen konnte, war dieses kurze Zwischenkapitel ernährungstechnischer Fehltritte für mich erledigt.
Wenn man in den fünfziger Jahren geboren ist und in die sechziger hineinwächst, ist es schon eine Ausnahme, sich ovolactovegetabil zu ernähren.
Meine Eltern hörten sich von Verwandten und Bekannten einiges zu diesem Thema an, was zum Glück nur zu scherzhaften Aussagen meines Vaters führte:
Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt!
In der Schule hatte ich Probleme mit meiner Friedlichkeit.
Es schien, als würde mir die Aggression fehlen, die meine Mitschüler auszeichnete. Jahrelang führte ich diesen Umstand auf eine frühe Intervention meiner Mutter zurück, die immer, wenn ich das Haus verließ sagte:
Und hau keine Kinder!
In späteren Jahren klärte sich der Grund für diese imperative Empfehlung auf.
Ich war bis zu meinem dreizehnten Lebensjahr immer zumindest einen halben bis einen ganzen Kopf größer, als meine Mitschüler und dementsprechend kräftiger, so dass meine Mutter Angst hatte, ich könne die Kinder anderer Mütter im Rahmen körperlicher Auseinandersetzungen verletzen.
Tatsächlich war es so, dass die Schüler in der Schule, die zwei Jahre älter waren als ich, auch kleiner waren, was sie dazu bewog, sich mit vier bis fünf Personen während der Schulpausen auf mich zu stürzen...
Immerhin hatten sie danach die Möglichkeit wahrheitsgemäß kundzutun, sie hätten jemanden besiegt, der fast einen Kopf größer war, als sie - das zwei Jahre geringere Alter konnte man ja getrost verschweigen.
Auch wenn mir diese Mitschüler nur zu zweit begegneten, nutzte ich nicht meinen körperlichen Vorteil.
Im Jahr 1982, als ich wegen eines Unfalles im Krankenhaus lag und aus lauter Langeweile mit einem Mitpatienten Schach spielte, bescheinigte mir dieser, einer der besten Schachspieler seines Bundeslandes, ich könne ein genialer Schachspieler werden, mir fehle jedoch das Notwendigste um zu gewinnen, der Vernichtungswille. Nur wer wirklich den Willen habe, seinen Gegner zu besiegen, zu vernichten, könne seine Genialität beim Schachspiel zu seinem Vorteil nutzen.
Gut, ich unterschied mich durch zwei Kleinigkeiten von anderen Menschen, ich aß keine Tiere und war wesentlich friedlicher als meine Altersgenossen; aber das reichte natürlich bei Weitem nicht, die Grundlage dessen zu sein, was mir Jahre später widerfuhr.
Im Alter von elf Jahren ergaben sich drei Puzzlesteine, die einzeln betrachtet ebenso banal erscheinen mögen, wie zusammen besehen. Jedoch unter Einbeziehung der kommenden Ereignisse, erwiesen sie sich als echte Steine in dem Mosaik, das sich bald über einige Jahrhunderte erstrecken sollte.
Nehmen wir nun an, es handele sich beim Vegetarismus um Puzzlestein eins und beim fehlen von Aggression um Stein Nummer zwei, können wir nun beginnen zunächst mit der Numerierung chronologisch fortzufahren.
Als ich elf Jahre alt war, gab es nur zwei Fernsehprogramme und ich sah mir jedes Wochenende die Sendung Magazin der Woche der ARD an. Da gab es einen Beitrag über Perry Rhodan, eine Phänomen in der deutschen Science Fiktion. Es gab ein kurzes Interview mit Walter Ernsting einem der Gründer der Serie und einige Titelbilder zu sehen. Ich begann nun Terra und Terra Extra Heftromane zu lesen.
In der Fernsehzeitung fand ich einen Dreiteiler, auf den ich sofort aufmerksam wurde. Es handelte sich um einen Französischen Fernsehfilm, den man dem Genre Mantel- und Degenfilm zuordnen konnte. Ich kann nicht mehr nachvollziehen, was mich an dieser Filmankündigung in der Fernsehzeitung, wir hatten nur eine Prisma (freitägliche Beilage zur Tageszeitung) so sehr fasziniert hatte, dass es mir gelang, meine Eltern zu überreden, alle drei Teile trotz später Stunde sehen zu dürfen. Heute weiß ich, dass mein Vater für dieses Genre volles Verständnis hatte, er meldete sich mit weit über achtzig Jahren am Telefon noch mit DER GRAF VON MONTE CHRISTO und hatte außer Karl Mai nur die drei Musketiere von Alexandre Dumas und Hans Dominic gelesen.
Von Alexandre Dumas war auch der Fernsehdreiteiler Cagliostro, dessen Handlung um die Halsbandffäre am französischen Hof vor der Revolution gewoben war. Ich sah diese drei Neunzigminutenfilme mit großer Konzentration und Interesse, obwohl ich mich zu der Zeit eigentlich nur für Solo für Onkel und mit Schirm, Charme und Melone interessierte, und für die unglaublichen Abenteuer des Raumschiffes Orion, aber dazu später.
Obwohl ich zwischenzeitlich das Gefühl hatte, mich mit dem Chevalier de Maison Rouge zu identifizieren, war es mir doch klar, wer hier der Grund für mein Interesse war, Guiseppe Balsamo, der sich selbst Alexandro Graf von Cagliostro nannte.
Der Chronologie wegen müssen wir hier einen kleinen Einschub machen; ich schrieb nachdem ich mit Science Fiktion konfrontiert worden war selber Science Fiktion Geschichten. Einer der wichtigsten Protagonisten hieß Xen Fönö und tauchte in einer Geschichte auf, als ich zwölf Jahre als war, also 1968. Dieser Xen Fönö sah bis auf farbliche Unterschiede so aus, wie die heute beschriebenen Grauen mit den großen Augen, nur, dass er neben den farblichen Abweichungen etwa 180 cm groß war.
Nun, wir haben fünf Steine, die nicht zueinander passen wollen.
Was haben Vegetarismus, Friedfertigkeit, das Lesen von Science Fiktion, das Gefallen an einem Film über Cagliostro und das Erdenken eines Außerirdischen, wie ihn auch andere möglicherweise erdacht haben, miteinander zu tun?
Gut, den Xen Fönö kann man vielleicht als Synchronizität abtun, aber nicht mehr lange.
Im Laufe der folgenden Jahre fügten sich immer mehr Puzzlesteine in das Mosaik ein und führten letztendlich zu einem bewussten Beschäftigen mit diesen, zu einem bewussten Zusammenfügen, wieder Auseinandernehmen, bis eine Art Automatismus einsetzte, der die Einzelteile zusammenfügte, ohne dass ich etwas dazu beigetragen hätte.
Ab meinem sechzehnten Lebensjahr beschäftigte ich mich bewusst mit indischen Meditationstechniken, beginnend mit der Tranzzendentalen Meditation von Maharishi Mahesh Yogi, weitergehend über Divine Light Mission bis zu Sivananda Sarasvati. In diesem Zusammenhang ist weniger wichtig mit welchen yogischen Lehren ich mich beschäftigte, als dass ich seit dem kontinuierlich yogische Übungen ausführte, die weit über das hinausgingen, was gemeinhin als autogenes Training bekannt ist.
Die tiefen Versenkungen in das Selbst führten zu einem weiteren Puzzlestein, den ich im Jahr 1972 im Rahmen einer Meditation erfuhr.
Ich schwebte durch einen Tunnel, der grüne unregelmäßig geformte Begrenzungen aufwies, die mich an Felsgestein erinnerten. Ich schwebte und konnte bewusst meine Geschwindigkeit variieren.
Erst achtundzwanzig Jahre später erfuhr ich von dem Flug der Vril 7 nach Aldebaran, der durch einen ähnlich beschriebenen Überraum führte.
Einige Jahre vergingen, in denen ich mich im Wesentlichen von anderen dadurch unterschied, dass ich ein kompromissloser Gerechtigkeitsfanatiker war, fast keinen Alkohol trank, fast nie rauchte, mich nicht in Kneipen aufhielt und emotional nicht zu spontanen One Night Stands in der Lage war.
Ich arbeitete einige Zeit in der Behindertenarbeit und vertrat auch da kompromisslos die Interessen der Schwächeren.
Viele Jahre des primären Arbeitens sollen hier zunächst unbehandelt bleiben.
Bis auf mein Interesse für die Thematiken Erich von Dänikens, die Bücher Robert Anton Wilsons, Freimaurertum, Templer und die Texte von Qumran unterschied ich mich wenig von anderen. Man bezeichnete mich als achtundsechziger, was ich mir mit Genugtuung gefallen ließ und hielt mich allgemein für einen Weltverbesserer.
In diesem Zusammenhang fällt auf, dass man den Begriff des Weltverbesserers immer negativ besetzt hat, was eigentlich unverständlich ist. Ein Weltverbesserer ist ebenso wie die heutigen Grünen jemand, der an der Zerstörung des Planeten nicht teilnehmen will, sondern für den Erhalt des Lebenswerten im Hinblick auf die Zukunft eintritt.
Die Zukunft, sofern wir sie noch haben.


*





Die Holzklappe am Grunde meines Bewusstseins

Ein längeres Gespräch mit meiner Bekannten Anne, ich war mein Leben lang, dies bezieht sich auf das Leben im zwanzigsten Jahrhundert, immer allem und jedem gegenüber aufgeschlossen, obwohl ich es nie an der gebotenen Skepsis fehlen ließ, brachte mich der Reinkarnationslehre näher.
Ich hatte schon einige Male in tiefster Meditation einen Punkt erreicht, der in den unterbewusstesten Bereichen meines Seins angesiedelt war, einen Punkt, einer Höhle mit kohleartigen Steinwänden, auf dessen Boden sich eine Art Holzplatte befand. Immer wenn ich versuchte diese Klappe zu öffnen, war ich entweder aus meiner meditativen Versenkung in das Wachbewusstsein zurückgekehrt oder ich hatte die Erfahrung gemacht, plötzlich ganz wo anders zu sein, als hätte ich einen Black Out gehabt, oder wäre eingeschlafen, was in diesem Zusammenhang zweifelsohne identische Konsequenzen hat.
In meinem Gespräch mit Anne ging es um diese und ähnliche Erfahrungen. Sie wies mich darauf hin, sie habe einige Rückführungen gemacht und habe sich da immer unterschiedlichen Toren zu unterschiedlichen Leben gegenübergesehen.
Ich beschloss, mit äußerster Anstrengung und jeder, der sich mit Meditation beschäftigt hat, weiß, dass äußerste Anstrengung in diesem Zusammenhang alles andere bedeutet, nur nicht bewusste Anstrengung, diese Holzklappe in meinem Unterbewusstsein zu überwinden.
Ich bin seit ich mich erinnern kann ein begeisterter Betrachter nächtlicher Sternenhimmel und hatte gerade nachdem ich mich zu dieser äußersten Anstrengung entschlossen hatte ein visuelles Erlebnis, das jeder Hobbyastronom kennt und das mit der Anordnung der Seezellen im menschlichen Auge zu tun hat.
Ich sah den Krebsnebel, als ich gegen 23.30 nach Osten sah.
Ich sah ihn aber nur, wenn ich ihn nicht genau anpeilte.
Wenn ich meine Augen genau auf ihn fokussiere, war da nichts außer der bekannten Schwärze.
Als ich einige Sonnen in der Nähe des Nebels besah, konnte ich ihn wieder erkennen. Sobald ich ihn genau ins Auge fasste, verschwand er wieder.
Zapfen und Stäbe sind im menschlichen Auge für das Sehen verantwortlich. In der Mitte der menschlichen Netzhaut haben wir einen Bereich, der für die Farbsicht zuständig ist, aber eine geringere Lichtempfindlichkeit aufweist.
Nachts sind alle Katzen Grau.
Warum?
In unsere Netzhaut sind in der Mitte, dem Bereich, wo das meiste Licht bei maximal geöffneter Iris hinfällt Zapfen angeordnet, die zwar die Farbsicht vermitteln aber nicht so Lichtempfindlich sind, wie die darum gruppierten Zapfen.
Ich hasse übrigens Verniedlichungen, weil sie eine bestimmte Größe als den Normalzustand postulieren und damit das kleinerer abwerten, daher schreibe ich hier nur über Stäbe und Zapfen, wohl wissend, dass diese Begriffe normalerweise verniedlicht werden. Aber ich bin ebenso der Meinung, die Knochen in den Ohren wären vollwertige Schallträger und müssten nicht verniedlicht werden, daher rede ich prinzipiell immer von Gehörknochen. Wer weiß wie viele Intelligenzwesen es gibt, für die die Knochen des Menschengehörs gigantische Ausmaße haben?
Douglas Adams fiel mir ein, der in einem Teil der Trilogie per Anhalter durch die Galaxis, ich glaube es war Band fünf, über Levitationen geschrieben hat.
Die Protagonisten, unter anderen auch Arthur Dent, warfen sich zu Boden, aber daneben und flogen.
Dieses zu Boden werfen, aber daneben, schien ein Schlüssel zu dieser Klappe aus Holz zu sein, genau so, wie man den Krebsnebel sehen kann, wenn man ihn nicht direkt ansieht.
Ich stimmte mich an den folgenden Tagen vor jeder Meditation darauf ein, die Höhle mit der Holzklappe zu erreichen, ohne aus meiner meditativen Versenkung in das Wachbewusstsein zurückzukehren oder plötzlich ganz wo anders zu sein, als hätte ich einen Black Out gehabt, oder wäre eingeschlafen.
Ich blieb bei dieser vorherigen Einstimmung über einen Zeitraum, der ein gutes halbes Jahr betrug. Ich wusste, wenn ich diese Klappe einmal öffnen würde, wäre ein so gewaltiger Durchbruch errungen, dass es mir immer wieder gelingen würde.
Eines Tage war es so weit, ich hatte immer wieder diese Halle erreicht und war mir eigentlich sicher, sie auch immer schneller erreichen zu können, gelang es mir einen der Riegel der Holzklappe zu bewegen. Warum die Holzklappe mit fünf Riegeln gesichert war, kann ich mir nicht denken. Manch einem wären sicher drei oder sieben Riegel oder Siegel lieber gewesen. Ich kann es nicht ändern.
Ich vermutete schon, bei jeder der nächsten Meditationen wieder einen der nächsten Riegel bewegen zu können oder schlimmstenfalls wieder alle fünf Riegel verschlossen vorzufinden, als ich gewahrte, dass ich mich immer noch über der Holzklappe befand und auch noch nach dem zweiten Riegel greifen konnte. Ich sah vorbei und fokussiere meinen Blick nicht auf die Riegel, sonst griff ich nämlich daneben.
Wie beim Krebsnebel blickte ich nebenher.
Nacheinander gelang es mir alle fünf Riegel zur Seite zu schieben.
Es war noch überraschender, als ich feststellte, dass sich die Klappe ganz leicht öffnen ließ.
Ich klappte sie zur Seite und blickte in einen Schacht mit dunklen Wänden, der, wenn ich mein versenktes Selbst als Größenmaßstab betrachtete, einen Durchmesser von etwa zehn Metern haben mochte.
In der Schachtwand erkannte ich Eingelassene Öffnungen, die etwa zwei bis drei Meter hoch sein mochten und eine Breite von vielleicht fünf Metern aufwiesen.
Diese Öffnungen waren erleuchtet und ich konnte darin Bewegungen erkennen, als handele es sich um Szenen aus meinem bisherigen Leben, die über eine gewisse Wichtigkeit verfügten. Als ich mich ein wenig vorbeugte, wurde ich zurückgerissen und jagte durch einen grünen Tunnel wieder zurück in mein Wachbewusstsein, ohne diesen Vorgang beeinflussen zu können.
Ich war in dieser Meditationssitzung weiter gekommen, als jemals zuvor.
Von der Annahme ausgehend, nun eine Möglichkeit gefunden zu haben, vergangene Ereignisse meines Lebens noch einmal Revue passieren zu lassen, plante ich bei meiner nächsten Meditation alles daran zu setzen, den Schacht in irgendeiner Weise zu betreten.
Ich hatte im Alter von fünfunddreißig Jahren die Bhagavat-Gita gelesen und war von diesem Buch derart fasziniert worden, dass ich nicht den geringsten Zweifel an der da beschriebenen lehre der Reinkarnation hegte.
Die Bhagavat-Gita ist ein Teil des Sanskriteepos Mahabharata.
Vor etwa fünf Jahrtausenden kam es zu einer großen Schlacht, der Schlacht von Kuruksetra.
Das Gespräch zwischen dem Feldherren Arjuna und Krsna Gott war wirklich, wie von vielen Hindus angegeben, die Essenz der Veden.
Es standen sich die beiden Heere gegenüber und es würde zur Schlacht kommen.
Die Schlacht von Kuruksetra war eigentlich nichts anderes als ein Familienkrieg innerhalb der Kuru-Dynastie.
Vicitravirya hatte drei Söhne, Dhrtarastra, Pandu und Vidura. Weil der älteste Dhrtarastra von Geburt an blind war, wurde sein nachfolgender Bruder Pandu König. Pandu hatte fünf Söhne, Yudhisthira, Bhima, Arjuna, Nakula und Sahadeva. Dhrtarastra hatte hundert Söhne von denen der älteste Duryodhana hieß.
Nun gut, wer sich für diese Zusammenhänge interessiert, sollte sie in der Bhagavat-Gita nachlesen...
Einer der Heerführer war Arjuna.
Da die Kontrahenten beide gläubige Hindus waren, baten sie den Gott Krsna um seinen Beistand.
Der Gott sagte beiden seinen Beistand zu und trug ihnen auf zu wählen, einer könne über seine Himmlischen Streitkräfte verfügen, der andere erhalte den Gott selber als Wagenlenker.
Arjuna hatte nun den Gott Krsna, die höchste Inkarnation Chivas als Wagenlenker und bat ihn, vor Beginn der Schlacht mit dem Streitwagen zwischen die beiden gegnerischen Heere zu fahren.
Als sie mit dem Streitwagen zwischen den Heeren standen, ergab sich ein Dialog zwischen dem Gott Krsna und Arjuna.
Dieser Dialog brachte die Regeln und Einzelheiten der Reinkarnationslehre zutage. Ich war froh, dieses Buch erst im Alter von fünfunddreißig Jahren gelesen zu haben, da ich ansonsten in jüngeren Jahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in einen Ashram eingezogen wäre und seit dem Hare Krsna singen würde.
Dieses Statement besagt allerdings nicht, dass es nicht Momente gibt, in denen ich tatsächlich Hare Krsna singe...
Hier kommen wir erstmals wieder zum Anfang des Buches zurück, genauer zu den einleitenden Worten vor dem Anfang, der Warnung vor der Lektüre.
Ich selbst bin ein gutes Beispiel dafür, dass man einen gewissen Reifegrad benötigt, um den Stoff eines Buches zu verkraften.
Dieses Buch verändert.
Niemand kann es lesen, ohne in seinem tiefsten Selbst verändert oder erschüttert zu werden. Ich kann allerdings tatsächlich keine Empfehlung geben, wie alt ein Leser mindestens sein sollte. Manch einer kann es lesen, wenn er in Rente gegangen ist, ein anderer wenn er sein Studium abgeschlossen hat.
Außerdem ist es so, dass die Zeit drängt.



*





Bei meiner nächsten Meditationssitzung hatte ich schon befürchtet, wieder die fünf Riegel zurückschieben zu müssen, aber zu meiner Überraschung waren die Riegel ebenso verschwunden, wie die Holzklappe. Es klaffte einfach nur ein großes unermesslich tiefes Loch im Boden, dessen Schwärze eine unausgesprochene Bedrohung signalisierte.
Ich stand am Rande dieses tiefen Schachtes und brauchte einige Zeit, um zu begreifen, dass ich weniger Stand, als schwebte.
Mein Ziel war klar.
Ich wollte, sofern möglich, mein erstes Icherlebnis im Alter von zweieinhalb Jahren beobachten. Vielleicht würde ich mich dann besser erinnern können.
Ohne Angst schwebte ich langsam in diesem Schacht in die Tiefe.
Die Schachtwand war schwarz und reflektierte kein Licht. Immer wieder sah ich Öffnungen, hinter denen sich Szenen meines bisherigen Lebens abspielten.
Szenen, die mir wegen der kurzen vergangenen Zeit noch sehr gegenwärtig waren. Ich kann und konnte nicht beurteilen, nach welchen Kriterien diese Sequenzen ausgesucht worden waren. Wenn ich zunächst angenommen hatte, es handele sich um Schlüsselereignisse meines Lebens, musste ich schon kurz danach zugeben, das da einiges dessen, was ich zu sehen bekam, so banal war, dass es mit Sicherheit alles andere als wichtig sein konnte. Andererseits war es für oberflächlich betrachtet vielleicht für mich relativ unbedeutend, aber wie sah es mit einer Betrachtungsweise meiner Selbst in dreißig oder vierzig Jahren aus?
Kurze Eindrücke erregten meine Aufmerksamkeit, treffen mit Menschen, die mir nicht mehr ganz so gegenwärtig waren, oder Ereignisse, die ich schon fast wieder vergessen hatte.
Hatte ich den Gral meines Gedächtnisses erschlossen?
Ich sah mich selber in wechselnden Szenen, die in dieser Situation mehr oder weniger meine Aufmerksamkeit erregten, obwohl ich sicher war, dass einige der Szenen mich eigentlich sehr interessierten.
Im Moment der Greifbarkeit trat die Wichtigkeit dieser Ereignisse, die mich über Jahre hinweg beschäftigt hatten, so weit in den Hintergrund, dass ich nach der Meditation gar nicht begreifen konnte, warum ich in diese Szenen nicht hineingegangen war.
So richtig interessant wurde es, als ich in die Tiefen meines Bewusstseins geriet, die sich im Alter von unter fünfundzwanzig Jahren abgespielt hatten.
Merkwürdigerweise verringerte ich meine Sinkgeschwindigkeit, um mir mehr Zeit dabei zu lassen, Einzelheiten zu erkennen.
Ich sah mich während einer Konfliktsituation mit der Stationsschwester bei meiner Zivildienststelle. Schwester Yvonne, mit der ich fast ständig Konflikte auszutragen gehabt hatte und die ich sowohl damals, als auch später noch sehr geschätzt hatte, was allerdings auf Gegenseitigkeit beruhte, denn die ältere Dame sagte über mich das gleiche.
Ich sah Schwester Yvonne und mich in der Küche des Krankenhauses sitzen, am letzten Tag, den sie vor ihrer Rente arbeitete. Ich fragte sie damals, was sie in ihrem aufopfernden Diakonissenleben vermisst habe, was sie möglicherweise anders machen würde, wenn sie dazu noch einmal die Möglichkeit erhalten würde.
"Einen Führerschein hätte ich machen sollen und mir ein Auto kaufen. Die Freiheit überall hin fahren zu können, ohne auf andere Menschen angewiesen zu sein, das ist es, was ich mir ermöglichen würde, wenn ich noch einmal von Vorne anfangen könnte."
Ich schwebte weiter, ohne weitere Eindrücke meines damaligen Berufslebens zu finden und erinnerte mich daran, während meiner Zivildienstzeit immer wieder solche und ähnliche Gespräche mit älteren Menschen geführt zu haben. Wie oft hatte ich mit Menschen, die gerade einen Herzinfarkt erlitten hatten, darüber geredet, was es eigentlich war, was dem Leben einen Sinn gab, und immer wieder hatte ich von diesen Menschen, im Angesicht des möglichen Todes, gehört, man solle mehr an sich selbst und andere denken, und man sollte sich so verhalten, dass man am Ende des Lebens nicht darüber nachdenken müsse, was man anderen Leuten angetan habe.
Durch meine Gedanken abgelenkt fand ich mich nach einiger Zeit, obwohl man kaum von Zeit in diesem Zustand reden kann, vor einer Szene wieder, die mich im Alter von etwa zehn Jahren mit meinem Freund Klaus und seinem Großvater mütterlicherseits, in dem Wohnzimmer von Klaus' Eltern zeigte.
Ich hatte gestoppt, mein langsamer Falle durch den Schacht meiner Gedanken war angehalten worden. Ich konnte mich auf die Szene konzentrieren.
Der Großvater fragte mich nach meiner Herkunft aus. Dazu muss man wissen, dass dieser Großvater nur zu Besuch weilte und dass er normalerweise im Rheinland wohnte. Klar, dass er da nicht genau wusste, mit wem sein Enkel Klaus da spielte.
Ich erzählte ihm gerade von meinen Vorfahren und darüber, dass die Vorfahren meines Großvaters väterlicherseits aus Frankreich stammten. An dieses Gespräch mit Klaus' Großvater konnte ich mich kaum noch erinnern, aber ich hatte ja wohl nicht grundlos vor dieser Szene angehalten.
"So, Deine Vorfahren waren also Hugenotten!"
Nun, von Außen vor dieser Szene schwebend und mit fast vierzig Jahren mehr Lebenserfahrung, entging mir weder der lauernde Unterton des Großvaters meines Freundes, noch das plötzlich aufkeimende große Interesse für meine Person. Kalt rann es mir, der ich im Gang schwebte, den imaginären Rücken hinunter.
Ich hatte diese Situation damals wesentlich normaler und harmloser empfunden.
Nun, als Beobachter witterte ich förmlich die Gefahr, die von diesem alten Mann ausging.
Später sollte ich erfahren, dass er Jesuit war.
Der Einweihungsschwur in den 2. Grad verlangt den Tod aller Protestanten und Freimaurer. Sie waren z. B. die leitende Kraft hinter dem Massaker an den Hugenotten und waren auch für das Köpfen der zahllosen Protestanten und Freimaurer im 16. und 17. Jahrhundert in England verantwortlich. Der Jesuitenorden wurde im Jahre 1534 von Ignatius von Loyola gegründet.
Das war lange her, gab es solche Schwüre heute noch?
Hatten solche Schwüre, wenn es sie noch gab, heute noch Gültigkeit? Ich bemerkte nun, dass ich dem Großvater meines besten Freundes direkt noch mehr erzählte, was ihn wieder getrost in den Sessel zurücksinken ließ.
"Mein Opa musste dann katholisch werden, um 1900 meine Oma heiraten zu dürfen!"
Für Klaus' Großvater war damit die Welt wieder in Ordnung.
Ich kann mir nicht vorstellen, was ihn letztendlich an mir persönlich gestört haben könnte, sah aber nun, dass er sich entspannte und mit einem Lächeln zurücklehnte.
Das Kind von damals hatte das alles nicht so mitbekommen.
Ich sank weiter, aber nur eine einzige Etage.
Ich sah Klaus und mich in dessen Zimmer auf dem Fußboden sitzen und Schriftzeichen malen.
"Lagora nat dragt Akita Inu!"
"Letrago nat Ching-kong-fung!"
Auch das hatte ich vergessen, Klaus und ich hatten uns mittels einer eigenen Sprache und einer eigenen Schrift verständigt, das war aber doch später gewesen. Ich drehte mich und sah mich selbst in meinem Zimmer, in der Wohnung meiner Eltern, ich sah, dass ich die Übersetzungsgrundlagen versteckte. Ich war etwa elf Jahre alt und klebte mit Tesafilm eine Papptasche hinter ein Bild an der Wand, das einen Schäferhundekopf zeigte, den ein Bekannter meines Vaters vor langer Zeit mit Bleistift gezeichnet hatte, Otto Götz hieß dieser Bekannte und hatte damals in Pforzheim gewohnt.
Faszinierend, was für verschüttete Details sich in meinem Gedächtnis wiederfanden.
Ich sah, wie ich die Übersetzungshilfe zusammenfaltete, um sie in der Tasche hinter dem Bild verschwinden zu lassen, während ich mich nach einem heimlichen Beobachter in meinem kleinen acht Quadratmeterzimmer umsah.
Ja, Klaus und ich hatten uns immer so verhalten, als würden wir beobachtet, wie hatte ich das vergessen können. Selbst wenn ich Zuhause in der Küche gesessen hatte, um die nachmittäglichen Aufgaben für die Schule zu erledigen, hatte ich mich so verhalten, als würde ich beobachtet, ja hatte auch einiges getan, um eventuelle Beobachter zu irritieren.
Man beachte, es handelt sich um die sechziger Jahre, als die Welt noch in Ordnung war, für die meisten Mitteleuropäer zumindest; als die Welt einen Aufschwung erlebte, ein Wirtschaftswunder und als noch alle an dauerhaften Frieden und dauerhaften Wohlstand glaubten.
Ja, ich hatte mich immer und ständig beobachtet gefühlt, besonders dann, wenn ich alleine war.
Ich hatte sogar meine Gedankenwelt aufgeteilt, in den Teil für die anderen und den Teil, den ich nur für mich selbst dachte.
Ich stieg einige Meter an in dem Schacht, ohne etwas dazu beigetragen zu haben, so als wolle mir ein Teil meines Unterbewusstseins etwas zeigen.
Ich sah mich in der großen Kirche in einer der hinteren Bänke neben meinem Vater sitzen.
Meine Mutter hatte sonntags immer meinen Vater und mich in die Kirche geschickt, um uns vor den Füßen weg zu haben, wie sie argumentierte: "Ihr stört mich nur bei der Vorbereitung des Mittagessens!"
Mein Vater und ich hatten uns ziemlich weit nach hinten gesetzt und nutzten diese Gelegenheiten, unseren Gedanken nachzugehen, denn an dem immer wieder stattfindenden Schauspiel auf der Bühne genannt Altar konnte uns nicht reizen.
Ich sah, dass ich die Augen geschlossen hatte.
Ich hatte häufig in diesem Raum die Augen geschlossen gehabt und mich auf mein Inneres konzentriert.
Plötzlich konnte ich mich wieder erinnern, ich war elf und hatte mich während dieser Messe mit telepathischen Versuchen beschäftigt. Ich hatte meine Gedanken ausgesandt um mit jemandem telepathisch Kontakt aufzunehmen und mich nach dieser Messe draußen zu kontaktieren.
Und es war tatsächlich geschehen.
Nach der Messe war ich von einem Mann angesprochen worden.
Jetzt, über dreißig Jahre später erst, wird mir die Groteske dessen was da passiert war richtig bewusst. Man stelle sich vor, ich ein elfjähriger wurde draußen vor der Kirche nach Beendigung der Messe von einem Mann angesprochen, der etwa Mitte zwanzig sein mochte, dunkel gekleidet und dunkler Typ: "Entschuldigung, haben Sie Feuer?!"
Man stelle sich vor, da spricht ein erwachsener Mann en elfjähriges Kind an, während Hunderte von ebenfalls erwachsenen Männern aus der Kirche kommen und sich ihre Zigaretten entflammen...
Ich merkte, dass ich nun unaufhaltsam wieder nach oben zu schweben begann, ohne diesen Vorgang aufhalten oder irgendwie anders beeinflussen zu können.
Es war mir klar, dass damit diese Session abgeschlossen war, dass ich wieder zurückgerissen werden würde, zurück in mein Wachbewusstsein. Ich versuchte im Gegensatz zu meinem Verhalten während des Sinkens nun im Aufstieg noch Eindrücke zu erhaschen und Informationen zu sammeln.
Seltsam.
hatte ich mich doch im Sinken noch über mein Desinteresse gewundert, angesichts der greifbaren Informationen, indem ich sie nämlich als grundsätzlich Verfügbar betrachtete und nun im Aufstieg, der nicht durch meinen Willen zu beeinflussen war, überkam mich eine Neugier, die ich so zuvor nicht erlebt hatte.
Eine Szene fiel mir im Vorbeiflug auf, ich sah mich selbst in einem Flugzeug sitzen, neben einem kleinen jungen Mann, südländischer Typ, angeregt in ein Gespräch vertieft.
Diese Szene hatte ich seit Jahren vergessen und nun drängte sie nach dem kurzen Eindruck, den ich gewonnen hatte, wieder mit einer Gewalt an die Oberfläche meines Bewusstseins, dass es schon an einen schmerzlichen oder schmerzhaften Prozeß erinnerte.
Der Mann war ein katholischer Priester und ich hatte ihn auf Rhodos getroffen, in der Abflughalle des Flughafens und den ganzen Flug über mit ihm geredet. Nun konnte ich mich wieder gut an unser damaliges Gespräch erinnern, das mich sehr beeindruckt hatte.
Ich war mit Astrid auf Rhodos gewesen, nachdem wir zuvor in der Türkei geweilt hatten. In der Türkei hatten wir in Izmir Freunde besucht und hatten die türkischen Medien erlebt, als es das Attentat auf Carol Wojtyla gegeben hatte, im Mai 1981, das von einem Türken namens Ali Akscha verübt worden war. Immer noch durch diese Informationen geprägt, denn unsere türkischen Freunde waren aufs Äußerste entsetzt gewesen, weil gerade in einer Phase einer Annäherung der türkischen Militärdiktatur an die Europäische Gemeinschaft, ein solches Attentat durch einen Türken verübt, so ziemlich das Schlimmste war, was dem Türkischen Staat und der türkischen Bevölkerung passieren konnte. Naturgemäß gab es genau dieses Thema, das erörtert wurde, als ich erfuhr, dass der kleine südländische Mann katholischer Priester war, ein Mexikaner, der in Rom Theologie studiert hatte und nun noch vierzehn Tage durch Europa reiste, bevor er wieder nach Mexiko zurückkehrte. Hatte es in Mexiko nicht auch noch eine Panne gegeben, als seinerzeit Papst Johannes der 23ste gestorben war?
Dieses gestorben war ist bewusst kursiv gesetzt, denn dieser Mexikanische Priester vertrat damals die Ansicht, nicht nur Johannes der XXIII sei ermordet worden, sondern auch Albino Luciani, Johannes-Paul der erste, der lächelnde Papst oder 23Tage-Papst.
Die Todesanzeige des Papstes Johannes XXIII war wohl nach seiner Ermordung in der mexikanischen Tageszeitung »El Informador« von der westmexikanischen Großloge der Freimaurer aus Versehen einen Tag zu früh aufgegeben worden. (Erscheinungsdatum 3. Juni 1963, Papst Johannes starb tatsächlich am 3. Juni 1963 um 19.49 Uhr).
Jedenfalls hatte dieser Priester, dessen Namen ich nicht erfragte, mir einiges erzählt, was er im Vatikan im Zusammenhang mit dem Tode Albino Lucianis erlebt hatte. Er hatte im Vatikan Theologie studiert und war sowohl anwesend als Paul VI starb, als auch beim Tode Johannes-Paul I, der als Zivilist Albino Luciani geheißen hatte.
Der Theologe gab immer noch unter den Eindrücken stehend, die ihn betroffen machten, kund, Johannes-Paul I sei nicht mehr von den Bewohnern des Vatikans gesehen worden, bei Paul VI waren sie alle noch gewesen, hatten Abschied nehmen können.
Aber über dieses Thema wurde bereits genug geschrieben.
Dieser mexikanische Priester auf dem Rückweg nach Mexiko hätte ja wohl kaum einen Grund gehabt, zwei harmlose Touristen an der Nase herumzuführen, oder?
Er war der festen Überzeugung, Albino Luciani sei ermordet worden, der ganze Vatikan sei sich in dieser Angelegenheit sicher gewesen, aber niemand habe den Mut gehabt mit diesem Wissen an die Öffentlichkeit zu gehen, hatten doch alle Angst vor der Gerichtsbarkeit der Kirche.
Mit zunehmender Geschwindigkeit durcheilte ich den Schacht, um durch grüne Felsendöme in mein Wachbewusstsein zurückgerissen zu werden.


*





In den nächsten Tagen machte ich mir einige Gedanken über die Auswahl der Szenen, die ich sicher anders vorgenommen hätte. Was interessierte mich heute noch, ob Johannes-Paul I ermordet worden war oder nicht? Hatte man nicht schon genug Zusammenhänge zwischen der P2-Loge, Bischof Paul Marcinkus, auf den wahrscheinlich immer noch die italienische Polizei vor den Ein- und Ausgängen des Vatikans wartet, die Finanzierung der Drogengeschäfte mit Kolumbien und die Aufhebung der Exkommunikation der Freimaurer im »Codex Iuris Canonici« am 27. November 1983.
Eigentlich war ich mir seit Jahren sicher gewesen, dass mich die katholische Kirche nicht mehr wirklich interessierte. Inzwischen hatte ich schon einiges verdrängt, was meine Kindheit und den Psychoterror der Repräsentanten der Kirche anging und verspürte ehrlich gesagt auch nicht das geringste Interesse, diese Zeit, in welcher Weise auch immer wieder aufleben zu lassen.
Und was war mit meinen eindeutig paranoiden Gedankenwelten bezüglich einer dauerhaften Beobachtung durch wen auch immer? Hatte ich diese Zeit nicht auch schon vor Jahren ad acta gelegt?
Vielleicht könnte mir ein Gespräch mit Anne auf die Sprünge helfen!
Anne, mit der ich mich zu einem Tee im Café getroffen hatte, erweckte wieder 'mal den Eindruck einer Abgeklärtheit, die ich ihr so nicht mehr abnahm. Ich kannte sie schon seit vielen Jahren und sie hatte es mit zunehmender Intensität verstanden einen immer mystischeren Eindruck von sich selbst zu verschaffen. Ich schilderte ihr meine Erlebnisse bevor ich die Holzklappe am Grunde meines Bewusstseins geöffnet hatte.
Anne lehnte sich gelassen zurück, als ich ihr die fünf Riegel beschrieb.
"Du wirst wohl versuchen müssen, diese Riegel zu überwinden, dann kannst du auch die Klappe öffnen und nachsehen, was sich dahinter verbirgt."
Sie hatte ein Buch auf den Tisch gelegt, das sie in einen zusätzlichen Umschlag aus blauer Pappe gehüllt hatte, den sie sicherlich selber zugeschnitten hatte.
Es befanden sich einige Zettel in diesem Buch, die sie gebrauchte um die Stellen, die sie anderen Leuten vorlesen wollte, schnell zu finden.
"Du hast recht, Anne! Ich habe einige Zeit dafür gebraucht und dann die Riegel entfernt und die Klappe geöffnet!"
Ihr Oberkörper ruckte nach vorne. Ihre Sinne waren bereit auch den kleinstmöglichen Reiz zu empfangen.
"Erzähl!"
Unwillkürlich schob sie das Buch, das sie so gut plaziert hatte, dass ich nicht übersehen konnte, dass es in englischer Sprache geschrieben worden war, zur Seite, um den Raum zwischen uns, zwecks besserer Verständigung, frei zu machen.
"Was war hinter dieser Holzklappe?"
"Unter!"
"Wie, unter?"
"Unter! Die Klappe befand sich auf dem Grund meines Bewusstseins also konnte sich nur etwas unter ihr befinden, nicht dahinter."
Sie sah mich tatsächlich leicht irritiert an.
"Anne, ich habe diese Klappe geöffnet!"
Sie sagte kein Wort, aber sprachlos konnte sie nicht sein, ich hatte sie noch nie sprachlos erlebt, also zollte sie meinen Äußerungen nur den gebührenden Respekt.
"Unterhalb der Klappe sah ich einen in die Tiefe gehenden - nicht enden wollenden - Schacht, der schwarz und dunkel war und teilweise durch diffuses Licht beleuchtet wurde."
"Und gab es da so etwas wie eine Treppe?"
"Nein, eine Treppe gab es nicht, aber ich war ja auch nicht so materiell, dass ich unbedingt eine Treppe benötigt hätte."
"Ich habe keinen Schacht, sondern Türen!"
"Wie, Türen?"
"Wenn ich in meine vorherigen Leben gelangen will, gibt es da Türen in meinem Selbst, die ich öffnen kann und durch die ich hindurchgehen kann, um in meine vorherigen Leben zu gelangen!"
Da hatte ich ja noch gar nicht dran gedacht.
Sie erzählte mir einige Erfahrungen, die sie in früheren Leben gemacht hatte oder gemacht haben musste, die alle nicht im Mindesten dazu angetan waren, mich auch nur im Geringsten zu erbauen.
Alle ihre vorherigen Leben hatten sehr ausgeprägt etwas mit Kindern und dem Kinderkriegen zu tun, mit Ängsten um Kinder, mit Ängsten, Kinder während der Schwangerschaft zu verlieren...
Ich stellte ihr ganz bewusst nicht die Frage, ob es da nicht auch noch etwas anderes gebe.
Wenn die Essenz früherer Leben nur solche Erfahrungen zu Tage brachte, hatte ich nicht das geringste Interesse, mir über vorherige Inkarnationen Informationen zu verschaffen.
Eine Parallele fiel mir ein.
Während meiner Lektoratstätigkeit für einen Verlag hatte ich von Frauen fast immer nur Manuskripte mit ähnlich gelagerten Thematiken in die Hände bekommen.
Ich berichtete Anne nicht von meiner weiteren Methode, indem ich im Schacht nach unten schwebte, Informationen aus meiner Vergangenheit zu beschaffen, sondern hörte ihr, wenn auch nur noch mit halbem Ohr, zu.
Wenn es wirklich möglich war, Informationen aus vorherigen Leben zu beschaffen, interessierten sie mich eigentlich ungemein, es sei denn, es handelte sich nur um Erfahrungen, wie Anne sie gemacht hatte, denn die menschliche Reproduktion war ein Vorgang, der mir nicht nur absolut fremd war, sondern auch noch einer, der bei mir nicht in den entferntesten Winkeln meines Seins Interesse hervorzurufen vermochte.
Anne ging zum Klo und ich nutzte, da ich ihr wirklich nur noch mit halbem Ohr zuzuhören vermocht hatte, die Zeit, ein Wenig in ihrem Buch zu blättern.
Also schlug ich beliebig eine Seite auf, naturgemäß handelte es sich um eine der Seiten, in denen Zettel steckten.
Ich las und wäre wohl erblasst, wenn ich nicht schon seit Jahren der Überzeugung gewesen wäre, dass jedem prinzipiell alles zuzutrauen sei.
Da stand schwarz auf weiß: ... JOHANNES PAUL II hat ebenfalls eine interessante und sicherlich erwähnenswerte Vergangenheit. Über ihn schreibt, der zwölf Jahre für die (den Geheimdienst der Navy) gearbeitet hat, in seinem Buch »Behold a Pale Horse«, daß er während des 2. Weltkrieges in Deutschland für die I.G. Farben an der Produktion des Gases für die Gaskammern der KZs mitgearbeitet haben soll. Zu Ende des Krieges, aus Angst, er würde durch die Mitarbeit an Kriegsverbrechen hingerichtet werden, soll er dann in den Schutz der katholischen Kirche in Polen geflohen sein. Dort soll er dann geblieben sein und später eine ähnliche Entwicklung wie die Eisenhowers gemacht haben, nur dauerte es etwas länger, bis er später als Kardinal Wojtyla zum heutigen Papst wurde.
Nein, ich las nicht weiter und war schon relativ dankbar, als Anne vom Klo zurückkam und ich gerade dabei war, damit zu beginnen den blauen Schutzumschlag zu entfernen.
"Stop!"
Ich blickte irritiert auf.
"Wieso stop?"
"Das Buch ist ein verbotenes Buch!"
"Willst du mich hier verscheißern, Anne? Es gibt keine verbotenen Bücher mehr, wir haben immerhin das einundzwanzigste Jahrhundert!"
Anne lachte.
"Und das, was du gerade gesagt hast, glaubst du das wirklich?"
Jetzt musste ich lachen.
"Klar, ich lebe ja wohl schon einige Jahre hier auf diesem Planeten und in diesem mitteleuropäischen Land!"
Anne setzte sich wieder.
"Trotzdem können doch wohl Bücher verboten sein, oder!?"
"Nein, es gibt doch immer noch die freie Meinungsäußerung!"
"Und das glaubst du?"
"Sollte ich etwa nicht!?"
Anne nahm nun das Buch an sich.
"Glaubst du, ich würde hier ein Buch offen rumliegen lassen, wenn es Bücher gibt, die in diesem Land verboten sind? Ich habe neulich den Autor dieses Buches auf der Messe in Frankfurt getroffen, eigentlich so ziemlich zufällig. Ich hab ihn gefragt, was denn in seinen verbotenen Büchern so drinsteht; und ob du's glaubst, oder nicht, ich konnte machen was ich wollte, er hat mir nichts verraten, weil er sich schon damit strafbar gemacht hätte."
Ich schüttelte den Kopf.
Anne war irritiert.
"Anne, versteh' mich nicht falsch, ich zweifle deine Worten nicht an, aber eigentlich würde ich es anzweifeln müssen, wenn du es mir nicht erzählt hättest. Es gibt kein Index librorum prohibitorum mehr."
Ihre Augen verengten sich leicht.
"Bist du da sicher? Ja wahrscheinlich, denn immerhin hat man ja auch Galileo Galilei erst 1965 rehabilitiert, nachdem er 1633 von der römischen Inquisition angeklagt und verurteilt worden war, immerhin hatte er doch tatsächlich die Erde aus dem Mittelpunkt des Universums herausgeredet. Papst Paul VI. hat aufgrund zahlreicher Beschwerden das HeiligeOfficium(Sanctum Sacrificium) in die "Glaubenskongregation" umbenannt, wodurch stillschweigend die Inquisition aufgehoben wurde."
Ich hatte gewusst, dass sie mit dem Begriff Index librorum prohibitorum etwas anfangen konnte, aber sie sprach sofort weiter, bezüglich dieser verbotenen Bücher.
"Du kannst mich ja für paranoid halten, aber obwohl alle Bücher dieses Autors eine ISBN Nummer haben, kann man sie nicht mehr alle bestellen, weil zwei verboten sind! Ob wir es wahrhaben wollen, oder nicht."
"Und wie ist es dir gelungen, dir ein solches Buch zu beschaffen, wenn es in Deutschland verboten zu sein scheint?"
"In der Schweiz ist es legal. Ich habe es mir von Beate aus Basel schicken lassen."
"Du meinst also, wenn ich morgen in einen Buchladen gehe und diese ISBN Nummer angebe, wird man mir erzählen, dass das Buch illegal ist und dass man es darum nicht bestellen kann!?"
"Nein, ich habe es versucht! Man wird dir irgend etwas von Lieferschwierigkeiten beim Verlag erzählen, oder dass es den Verlag möglicherweise nicht mehr gibt."
Ich schüttelte den Kopf.
"Die spinnen, die Deutschen!"
"Aber das wird uns nichts nützen. Wenn man hier der Meinung ist, Bücher verbieten zu müssen und dann noch so weit geht, dass man sie totschweigt, als habe es sie nie gegeben!"
"Fahrenheit 451!"
"Wie kommst du ausgerechnet jetzt auf Fahrenheit?"
Sie wirkte äußerst überrascht, als wäre sie dem sogenannten Leibhaftigen begegnet.
"Wegen der Bücherfeuerwehr, Anne! Kennst du das Buch von Ray Bradbury nicht?"
"Nein!"
Sie sah mich immer noch merkwürdig an.
"Eigentlich wollte ich dir etwas über einer Frau erzählen, die Fahrenheit heißt. Vinzenza Fahrenheit. Und jetzt hast du mich mit dem Namen überrascht!"
"Synchronizität, Anne."
"Meinst du?!"
Das klang weniger wie eine Frage, als wie eine unumstößliche Feststellung, doch hatte ich keine Gelegenheit mehr nachzuhaken, weil Regina den Raum betrat, eine gemeinsame gute Bekannte, die sofort auf uns zusteuerte.
"Dacht' ich mir doch, euch hier anzutreffen..."
Womit unsere Unterhaltung sich in eine ganz andere Richtung erstreckte.


*





So kam ich nicht weiter.
Ich verzichtete auf einen weiteren Versuch mit Anne über diese Thematik zu reden, hatte ich doch auch in anderer Beziehung bei ihr, zumindest nicht dauerhaft, landen können.
Nun unternahm ich täglich eine Reise in mein Innerstes, ohne besondere Ziele zu verfolgen.
Jedesmal schwebte ich in der senkrecht verlaufenden Röhre hinab und sah täglich andere Szenen, die meine Aufmerksamkeit erregten. Immer wieder verharrte ich vor einem Geschehen aus meiner Vergangenheit.
Eine Szene mit Anne fesselte mich, hatte ich doch schon fast vergessen, was sich da vor meinen imaginären Augen abspielte.
Zwanzig Jahre war das wohl her, mindestens.
Ihre Eltern und Geschwister waren erfreulicherweise alle ausgeflogen, was so selten vorkam, dass ich zunächst noch relativ befangen war, als wir im Fernsehzimmer zusammensaßen, wie wir schon so oft zusammengesessen hatten, wenn ihre Eltern und Brüder, sie hatte merkwürdigerweise nur Brüder, dabei waren.
An diesem Abend war allerdings alles ganz anders, wir waren erstmals allein.
Wir saßen nebeneinander und knutschten.
Meine linke Hand glitt irgendwann an ihrem Bein nach oben und brauchte Ewigkeiten um ihr unbekleidetes Knie zu erreichen.
Sie trug einen langen Rock, den sie in irgendeinem Indienshop gekauft hatte.
Dieser Rock war erfreulicherweise sehr weit geschnitten.
Als meine Hand unter ihrem Rock weiter nach oben glitt, erfuhr ich keine Reaktion, wie Beine zusammenkneifen oder sonst eine Abwehrhaltung.
Mittlerweile lehnte ich mit meinem Kopf an ihrer Schulter und sie hatte ihre Arme um mich gelegt.
Meine Hand hatte die Mitte ihres linken Oberschenkels erreicht und war bislang auf keinen nonverbalen Widerstand gestoßen.
Ich rutschte von der Couch und kniete vor ihr auf dem Boden.
Nichts an ihrem Verhalten zeigte mir auch nur das geringste Missfallen.
Mit beiden Händen schob ich nun ihren Rock so weit hoch, dass ich ihren weißen Slip vor mir sehen konnte.
Ihre Schenkel kamen im Slip zusammen und unter dem weißen Stoff war deutlich die leichte Wölbung zu erkennen, wie sie von Haaren auf dem Venushügel gebildet wird.
Meine Hände griffen nach ihrem Hintern und zogen sie nach vorne zur Kante der Couch.
Mit entschiedenem Griff zog ich ihren Slip nach unten und hatten nun die ganze Pracht ihres Haardreieckes vor mir.
Sie leistete nicht den geringsten Widerstand, als ich ihr den Slip ganz auszog, sondern nahm ihn wortlos an sich, um ihn unter ihrem T-Shirt im BH verschwinden zu lassen.
Als ich mit meinem Gesicht diesem unwiderstehlichen Zwang nachgab und mich ihrem Haardreieck näherte, schloss sie die Augen und lehnte sich mit ihrem Oberkörper zurück.
Dem sanften Druck meiner Hände auf die Innenseiten ihrer Oberschenkel gab sie bereitwillig nach und ließ ihre Beine auseinander gleiten.
Entschlossen drückte ich mein Gesicht in ihren Schoß.
Sie drückte mich ein wenig fort und rutschte mit ihrem Hintern noch näher an den Rand der Couch, um mir einen größeren Aktionsradius einzuräumen.
Ich kann nicht mehr sagen, wie lange ich sie so geleckt habe, aber es muss irrsinnig lange gewesen sein, obwohl meine Zunge nicht zu schmerzen begann, was allerdings in der Langsamkeit meines Tuns begründet sein wird.
Zwei Gedankenabläufe fanden parallel in meinem Bewusstsein statt.
Ich sah mir von außen zu, wie ich zwischen Annes Beine geglitten war und erinnerte mich gleichzeitig an dieses Ereignis, als sei es erst vor wenigen Tagen gewesen.
Es hatte noch einige Begegnungen mit ihr gegeben, die mehr oder weniger eindeutig zu meiner Seligkeit beigetragen hatten, aber nur wenn man den Satz postulierte: Geben ist seliger denn nehmen.
Im Tiefersinken im Schacht, hatte ich noch einen Momenteindruck, der mich umgehauen hätte, wenn ich nicht ohnehin schon im Schwebezustand gewesen wäre. Hinter Anne hing ein Bild an der Wand, ein altes Ölgemälde, das ich schon seit Jahren gekannt hatte. Es stellte einen Weg dar und im Hintergrund konnte man eine Stadt erkennen. Nie hatte ich etwas auf diesem Weg gesehen oder wahrgenommen. Im Zurücktreten und Zurücksinken konnte ich eine Szene erkennen. Auf der Straße bewegte sich eine schwarze Kutsche.
Ich wusste genau, dass in dieser Kutsche Anne und ich saßen und, dass wir auf dem Weg nach Straßburg waren, im Jahr 1780. Ich wusste es, ich konnte mich sogar an unser Gespräch während der Kutschfahrt erinnern.
So unaufhaltsam, wie ich sank, gingen auch weitere Erinnerungen in den Hintergrund.
Eine Etage tiefer sah ich mich während einer Zugfahrt, im Gespräch mit einem älteren Mann. Genauer gesagt redete ich mit diesem Mann, den ich damals für extrem alt gehalten hatte, nun konnte ich erkennen, dass dieser Mann etwa Mitte vierzig war.
An dieses Gespräch konnte ich mich nur vage erinnern. Dieser Mann hatte damals gesagt, er werde in die USA auswandern und könne daher unbeschwert reden, weil er sicher sein könne, mich niemals in seinem Leben wieder sehn zu müssen. Das Gespräch interessierte mich nur am Rande, war doch wirklich das Wesentliche dieser Begegnung, dass dieser Mann den Eindruck vermittelte man könne ihm alles erzählen...
In einem paranoiden Weltbild sah diese Szene schon wieder ganz anders aus. Hatte es noch andere Begegnungen gegeben, die ähnlich abgelaufen waren?
Eine Etage tiefer sah ich mich beim Trampen in den siebziger Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts.
Klar, beim Trampen.
Wie kam ich nur auf dieses paranoide Weltbild?
Ich stieg in einen VW 411 Variant ein, es war in Berlin 1973. Dieser VW hatte mich damals von Berlin bis nach Hamm mitgenommen und der Fahrer hatte auch noch einen Grund gefunden, über Werl zu fahren.
Ich sah mich in einem Flugzeug sitzen, auf einem Flug von Ibiza nach Düsseldorf.
Eine Etage tiefer sah ich mich mit einer sogenannten Urlaubsbekanntschaft auf Mykonos, mit der ich drei Wochen verbracht hatte...
Ich erkannte eine weitere Trampfahrt nach Amsterdam...
Der Detektiv, eine der dreiundzwanzig mir innewohnenden Persönlichkeiten, kam zum Vorschein.
Was, wenn alle diese Zufallsbekanntschaften ausgeschickt worden waren, um mich auszuhorchen.
Der Skeptiker, eine weitere der dreiundzwanzig mir innewohnenden Persönlichkeiten, meldete sich.
Quatsch, nimm dich nicht so wichtig!
Was wenn der Priester, dieser Priester, den ich auf dem Flug von Kreta nach Rhodos getroffen hatte, nun darüber nachdachte, in wessen Auftrag ich ihn damals ausgehorcht hatte?
Was wenn dieser Priester zu mir geschickt worden war, um mir falsche Informationen unterzujubeln?
Quatsch, nimm dich nicht so wichtig!
Konnte der Skeptiker sich nicht einmal zurückhalten?
Eine weitere Szene fesselte mich.
Ich wusste sofort, um welches Ereignis es sich handelte.
Ich saß nachts auf dem Boden in einem Raum, der voller Matratzen lag, auf denen Leute schliefen. Bei den schlafenden Leuten handelte es sich um Dieter, nein, Dieter schlief woanders; hatte Dieter in dieser Nacht nicht im Bett von Gisela und Harald geschlafen?
Es handelte sich also nicht um Dieter, sondern um Michael und Elisabeth. Wobei sich hier auch wieder ein Irrtum eingeschlichen hat, denn Michael hieß in Wirklichkeit Josef, was auch in seinem Ausweis stand, doch seine Mutter hatte ihn von Kindheit an Michael genannt, weil sein Vater auch Josef hieß. Warum hatte man ihn nicht sofort Michael getauft?
Mir gegenüber saß Gisela, die Gisela, die mit Harald zusammen war, in deren Bett jetzt wohl Dieter lag, was ich aber damals alles nicht so richtig realisierte.
Ich war Siebzehn und Gisela einundzwanzig. Zumindest das weiß ich noch mit Sicherheit und, dass wir uns nicht anrührten.
Wir redeten.
Wir redeten bis zum Morgengrauen, wie ich später mit Jutta so manche Nacht geredet hatte und mit Susanne beziehungsweise Susanne - es handelt sich um zwei Susannes.
Ich stellte Gisela in dieser Nacht, als Siebzehnjähriger, meine Sicht der Dinge dar. Und Gisela, die Einundzwanzigjährige, die schon damals das Knowledge hatte, hörte mir aufmerksam zu. Ich war damals mit Dieter, Michael und Elisabeth nach Bielefeld gefahren, weil in der dortigen Oetkerhalle eine Veranstaltung der Divine-Light-Mission, einer indischen Guru-Organisation, die einem vorgeblich fünfzehnjährigen Guru folgte, der das oben genannte Knowledge an seine Jünger weitergab. Dieses Knowledge sollte einen Menschen in die direkte Lage versetzen mit Gott zu kommunizieren. Nach den Grundinformationen in der Oetkerhalle lud man die Anwesenden in den Ashram in der Brandenburger Straße 28 ein.
In der Oetkerhalle hatten etwa fünf bis sechshundert Menschen zugehört und im Ashram waren es am ersten Abend noch etwa sechzig, am nächsten Morgen noch gut zwanzig, am nächsten abend noch zwölf, usw.
Die Angelegenheit lief darauf hinaus, dass nur Leute dieses Knowledge erhalten sollten, die wirklich nichts anderes mehr wollten, außer Erhalt des Knowledge.
Das war so ziemlich die erste Gehirnwäsche, die man an mir versuchte...
Man weiß ja nur immer von den Gehirnwäschen, die misslingen; Gehirnwäschen die funktionieren, werden vom Betroffenen nicht als solche erkannt und wahrgenommen.
In diesem Zusammenhang hatte Gisela mir nicht viel zu bieten, sie konnte, obwohl sehr gebildet, nicht viel über das erworbene Knowledge sagen und interessierte sich sehr für das, was ich ihr zu sagen hatte. Es befremdet mich noch heute, nach siebenundzwanzig Jahren, dass diese Frau, die offiziell so viel mehr wissen musste, als ich, ein so großes Interesse an dem zu haben schien, was ich ihr zu sagen hatte.
Was hatte ich zu sagen gehabt?
Langsam sank ich weiter im Schacht meines Seins.
Szenen glitten vorüber, in denen Gewalt von Personen gegenüber mir verübt wurde.
Bei dem Versuch, diesen Umstand so neutral wie möglich auszudrücken, bin ich wohl gescheitert.
Mein Sinkflug stoppte abrupt.
Ich sah mich als Kind das elterliche Haus verlassen.
Meine Mutter rief mir ihren Standardsatz nach:
'Und hau mir bloß keine Kinder!'
Dieser imperative Imprint war es, der dazu geführt hatte, dass ich mich nicht wehrte.
Langsam, ja zögerlich bewegte ich mich wieder nach oben.
Warum hatte meine Reise in die Vergangenheit ausgerechnet mit dem Satz meiner Mutter bezüglich meiner Aggressionshemmung, zu einer Rückkehr geführt?
Ich sah mich auf der Treppe im Haus sitzen. Diese Treppe führte eine Etage höher. Ich saß auf einer der unteren Stufen und Klaus-Dieter saß oben. Klaus-Dieter war gerade eingezogen und war ein Jahr jünger als ich. Er war drei und ich war vier. In so unmittelbarer Nähe hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt kein weiteres Kind erlebt.
Ja, ich war gleichsam unter Erwachsenen aufgewachsen, die alle im Alter meiner Eltern waren und somit schon relativ alt - aber was ist schon relativ? Meine Mutter war vierzig und mein Vater vierundvierzig, als sie mich bekamen.
Der Kontakt zu Klaus-Dieter war einige Tage so weitergegangen, bis wir die trennende Treppe überwinden.
In der nächsten Szene sah ich mich durch den Garten gehen und Klaus-Dieter kam von hinten, um mir mit einer Schüppe auf den Kopf zu schlagen. Er schlug mit dem Metall zu, glücklicherweise flach - und ich weiß bis heute nicht, wer die Schüppe drehte, um so mein Leben zu bewahren, bin demjenigen aber trotzdem unbekannterweise dankbar. Der Kommentar des Vaters von Klaus-Dieter war, ich solle froh sein, dass er nicht mit dem Holz zugeschlagen habe, so etwas könne mehr schmerzen. Einen Grund für dieses Zuschlagen hatte er nicht gehabt. Tage später, er schien sich an die Worte seines Vaters ebenso gut zu erinnern, wie ich, schlug er, wieder von hinten mit seiner Holzgarage zu. Von meinen Eltern bekam ich keinen Kommentar, sie waren wohl froh, dass ich endlich einen gleichaltrigen Spielgefährten hatte. Klaus-Dieters Vater war es, der mir immer wieder sagte, ich solle doch 'mal zurückschlagen.
Ich steckte in der Zwickmühle, meine Mutter erwartete etwas anderes von mir, als Klaus-Dieters Vater. Andererseits verfügte Klaus-Dieter über ein Gewaltpotential, das man nicht unterschätzen sollte und das schon im Vorschulalter.
Eines Tages, wir spielten gerade Cowboy und Indianer und das Spiel gestaltete sich ausgewogen und ohne Gewalt, kam es zu der Situation, dass ich als Cowboy von dem Indianer Klaus-Dieter an ein Garagentor gefesselt wurde. Dann begann er hemmungslos auf mich einzudreschen. Es gelang mir, die Fesseln zu lösen und ich schlug tatsächlich zurück, einmal.
Klaus-Dieter brüllte wie am Spieß und hat mich nie wieder angerührt.
Trotzdem wurde das nicht die Regel. Meistens, fast immer wehrte ich mich nicht. Bis heute habe ich nicht begriffen, warum Menschen ihrem friedlichsten Nächsten grundlos Gewalt antun.
Langsam schwebte ich höher.
Was konnte ich dieser Sequenz entnehmen?
Klaus-Dieter hat versucht mich zu vernichten, obwohl er mich nicht kannte. Anne hat meine Bemühungen ihr gegenüber als relativ einseitig geschehen lassen, was sie übrigens Jahre später sehr bereut hat, wie sie mir mehr als einmal anvertraute.
Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn's dem lieben Nachbarn nicht gefällt.
Wie oft hatte ich diesen Spruch von meinem Vater zu hören bekommen!?


*





Wieder hatten wir uns in diesem kleinen Café getroffen und Anne war der Meinung, viele Probleme mit denen man heute zu tun habe, würden aus vorherigen Leben resultieren. Als sie das so vor sich hin sagte, konnte ich nicht wissen, dass sie im vorvorigen Leben meine Ehefrau Lorenza gewesen war.
"Ich habe in Hypnose eine unendliche Reihe von Türen vor mir gesehen, die in vorherige Leben führten!"
"Kann ich mir vorstellen! Ich glaube, dass ich, wenn ich in diesem Schacht weiter nach unten schwebe, in vorherigen Leben landen werde. Denn, wenn ich an die Stelle komme, in frühester Kindheit, an der ich umkehre oder umgekehrt werde, kann ich spüren, dass es unter mir noch sehr weit runter geht!"
"Ich hatte doch neulich versucht, dir von der Fahrenheit zu erzählen, als Regina hereinkam, wie immer im passenden Augenblick, dafür scheint sie ein Gespür zu haben!"
Wir lachten.
"Jedenfalls war ich bei Vinzenza Fahrenheit und habe mich bei ihr hypnotisch zurückführen lassen. Wahnsinn, ich kann Dir gar nicht sagen, wie irre das war!"
"Doch, ich kann es mir vorstellen! Und kam ich auch dabei vor, in einem deiner früheren Leben?"
Sie sah mich an, als habe ich ihr erzählt, die Erde sei nun doch wieder eine Scheibe.
"Du!"
Sie schien kurz nachzudenken.
"Irgendwie schon?!"
Sollte ich ihr etwas von der Kutsche erzählen, in der ich uns gesehen hatte, obwohl sie geschlossen war?
"Ich kann mich erinnern, dass wir 1780 nach Straßburg gefahren sind, in einer schwarzen geschlossenen Kutsche, die mit Symbolen bedeckt war. Du und ich!"
Sie sah mich aufmerksam an.
"Erzähl noch mehr!"
"Vielleicht sollte ich genau das nicht machen, denn es würde deine Erinnerungen vorprogrammieren, wenn meine leichtfertige Äußerung es nicht schon getan hat. Ich muss immer wieder feststellen, dass ich nichts für mich behalten kann, wahrscheinlich eine Eigenschaft, die mich schon Jahrhunderte lang begleitet."
Wieder kam Regina im richtig-falschen Moment, wie hätte es auch anders sein können, jedoch hatte Anne noch schnell versprochen, Vinzenza Fahrenheit werde sich bei mir melden, sie werde den Kontakt herstellen.
Tatsächlich, ich hatte am nächsten Tag frei und wollte mich gerade meditativ in meine Erinnerungen stürzen, stand eine unscheinbare kleine Frau vor meiner Tür, die vielleicht Mitte fünfzig war, oder Anfang dreißig.
"Fahrenheit, ich heiße Vinzenza Fahrenheit. Anne hat mir gesagt, du könntest meine Hilfe brauchen!"
"Ja, komm rein!"
Irgendwie war ich einerseits überrumpelt, aber andererseits kam sie mir wirklich gelegen.
"Kaffee!?"
"Nein danke!"
Sie setzte sich.
"Etwas anderes zu trinken, oder essen?"
"Nein danke!"
Sie sah mich lange an.
"Ich habe selten so eine alte Seele getroffen!"
"Wie?"
"Du bist wahrscheinlich älter, als alle Menschen, die ich bisher getroffen habe!"
Ich kommentierte es nicht.
"Kannst du dich denn an frühere Leben erinnern?"
"Ja und nein! Einerseits habe ich einige Erinnerungsfetzen, andererseits kann ich sie nicht zuordnen!"
"Vielleicht kannst du mir etwas mehr erzählen!"
Ich berichtete ihr, von der Holzklappe und deren Überwindung.
"Das ist wahrhaftig ein guter Weg! Eigentlich der direkteste und naheliegendste. Du reist chronologisch in die Vergangenheit! Meine Methode benutzt Seitenwege, und geht etwas schneller, obwohl ich meine dass dein Weg sicher der bessere und gründlichere ist!"
Ich war erschlagen.
Erstens weil er mich für so alt hielt und zweitens, weil er meine Methode für die bessere hielt.
"Trotzdem würde ich dir vorschlagen, doch einmal mit meiner Methode eines deiner vorherigen Leben zu bereisen, vielleicht hast du dann besseren Zugang zu den einzelnen Erinnerungen!"
Ich war so überrascht, dass ich Minuten später entspannt im Fernsehsessel lag, den ich von meinem Vater geerbt hatte.
Ich hörte ihre Stimme und erreichte sehr schnell einen tiefen Entspannungszustand.
Ihre Stimme brachte mich über eine Wiese in einen Schwebezustand zwischen rosafarbenen Wolken. Die Farben, die er mir suggerierte waren nach einiger Zeit nur noch Gold und rosa, was mir zwar nicht gefiel, was ich aber trotzdem über mich ergehen ließ. Ich machte kompromisslos mit.
Ich weiß nicht wie lange es gedauert hatte und ich stand vor einer unendlich langen Reihe roter Türen mit goldenem Rahmen in einer rosawolkenfarbigen Umgebung.
Ich dachte an die Kutsche, in der ich mit Lorenza gesessen hatte...
Vinzenza suggerierte mir nun die Anwesenheit meines Höheren Selbst, das ich bat, mich in das Leben zu führen, in dem die Fahrt mit der Kutsche stattgefunden hatte.
Die unendliche Reihe von Türen bewegte sich vor meinen Augen, bis eine dieser Türen direkt vor mir zum Stillstand kam.
Die Tür öffnete sich und ich fand mich auf einem Trampelpfad wieder, der einen Berghang hinab führte. Es war warm, die Sonne stand hoch am Himmel, so hoch, dass ich mir sofort sicher war, mich im Mittelmehrraum aufzuhalten. Ich ging den Trampelpfad hinab.
Im Hintergrund vernahm ich die Stimme Vinzenzas, die mich aufforderte, doch einmal meine Schuhe und meine Kleidung zu betrachten. Ich blieb stehen. Meine Schuhe waren Schnabelschuhe aus grobem braunem Leder...


*





Ich stand vor einem Buchsteinhaus.


Haus, Bruchsteinhaus.
Vielleicht war dieser Begriff etwas übertrieben.
Vielleicht war es mehr eine Art Verschlag.
Die Steine waren ohne Mörtel übereinandergeschichtet.
Du umrundest das Gebäude!
Woher kam diese Stimme?
Ich konnte das Haus nicht umrunden, es war in den Berghang hineingebaut.
Sieh dich um, vielleicht hängt da ein Kalender.
Wozu brauchte ich einen Kalender, es war 1759 im September.
Ich sah mir die "Inneneinrichtung" des Hauses an...
Die Stimme, die von überall zu kommen schien, forderte mich auf, einige Jahre später nachzusehen.
1762, woher wusste ich sofort das Jahr, als ich mich hinter der Kuppe einer leichten Anhöhe liegend wiederfand, einen Hohlweg betrachtend, den reiche Kaufleute benutzten?
Irgend etwas zog mich zurück, riss mich wieder vor die Türen.
Die Türen bewegten sich, bis eine vor mir zum Stillstand kam.
Eine neue Tür öffnete sich.
Ich trat hindurch und hörte die entfernte Stimme.
Wieder stand ich da und blickte zu meinen Sandalen auf den Boden.
Nun, es war wohl eine andere Zeit, aber war es nun früher oder später?
Zumindest war das Klima genau so gut, wie hinter der ersten Tür.
Merkwürdigerweise war mir zuvor gar nicht aufgefallen, dass es warm gewesen war, so wie jetzt.
Das Schwert an meiner Seite behinderte mich beim Laufen. Ich zog das römische Kurzschwert und machte damit zur Probe einige Bewegungen in der Luft.
Ich hätte dieses Schwert für schwerer gehalten - nein, da gab es eine andere Erklärung.
Ich hätte dieses Schwert für schwerer gehalten, ich, Fenda Loras aus dem Jahr 2002 nach Christus.
Mein Oberarm war deutlich dicker, als ich ihn kannte, meine Kraft war die Ursache für die Leichtigkeit des Schwertes, nicht das tatsächliche Gewicht.
Ich schloss kurz die Augen und sah mich, einhändig das Schwert führend, während meine Gegner sich beider Hände bedienten.
Warum war ich nicht in der ersten Erinnerungswelt geblieben?
Gab es da einen Grund?
Wenn es einen Grund gab...
Eine Galeere war am Kai festgemacht. Die Ruder lagen zum Teil an Land um ausgebessert zu werden einige Sklaven waren damit beschäftigt, sie mit ölhaltigen Tüchern einzustreichen.
Langsam näherte ich mich den arbeitenden Sklaven.
An die Kaianlagen grenzte ein Häuserstreifen, angeführt von einer Taverne. Im Hintergrund konnte man sehen, wie Galeeren entladen wurden, die schwer und tief im Wasser lagen.
Die Sonne stand am Himmel und brannte unerbittlich hernieder. Es handelte sich um die Mittagszeit.
Ich begann vor mich hinzumurmeln, als wolle ich alles was ich sah jemandem erzählen, den es gar nicht gab. Als wolle ich den Göttern etwas erzählen, das sie ohnehin schon wussten.
"Bei Jupiter!"
Mein Blick fiel nach rechts, als ich Geräusche aus der nahegelegenen Taverne hörte.
Menschen brüllten als würden sie sich erheblich vergnügen. Männer grölten und die Stimme einer Frau schrie erbärmlich.
Unweigerlich sah ich zur Taverne rüber. Aus dem dunklen Eingang löste sich eine Gestalt. Eine Frau, wohl die Frau, die zuvor geschrien hatte, rannte auf mich zu. Ihr folgten sieben Männer, die noch die Krüge roten Weines in den Händen hielten.
Die Frau schrie immer noch und stolperte, so dass sie vor mir in den Staub stürzte.
Schnell wurde sie von den Männern umringt.
Sie schrie.
"Halt!"
Das musste meine Stimme gewesen sein.
Als hätte sich ein Automatismus in Bewegung gesetzt, redete ich weiter.
"Meine lieben, geht wieder in die Taverne zurück und lasst sie in Ruhe! Ich werde nicht zulassen, dass ihr ein Haar gekrümmt wird!"
Mit langsamen Schritten ging ich auf die sieben Männer zu, ohne meine Schritte beeinflussen zu können.
Einer zog ein Messer und trat mir entgegen.
"Was Willst du, Legionär!"
Der Mann neben ihm grinste.
"Willst du es mit Sieben aufnehmen?!"
Nichts in mir rührte sich, meine Hand fuhr nicht zum Schwert und ich machte einen weiteren Schritt auf die Männer zu.
"Lasst die Frau in frieden und geht zurück in die Taverne!"
Ein achter Mann kam aus dem dunklen Loch, das ich als Eingang identifiziert hatte.
"Haltet ein! Kommt zurück und gebt sie frei! Wisst ihr denn nicht, wem ihr da gegenübersteht? Es ist Polonius!"
Die sieben Männer traten ohne zu zögern Schritt für Schritt zurück, nachdem der Wirt zu ende gesprochen hatte.
Polonius!
Dieser Name hatte drei völlig unterschiedliche Folgen.
Die sieben Leute zogen sich vorsichtig zurück, in mir kam ein weiterer Name an die Oberfläche meines Bewusstseins und ich wusste genau, dass ich es war, ich Polonius...
Polonius!
William Shakespeare!
Polonius war eine Gestalt aus Hamlet!
War ich in einem Bühnenstück gelandet?
Ich sah mich unweigerlich um, als ich mit meinen Überlegungen so weit vorgedrungen war.
Für eine Bühne zu realistisch und viel zu aufwendig.
Ein kurzer spitzer Schrei der Frau...
Ein Aufblitzen aus Richtung der sieben Männer und mein aus der Scheide fahrendes Kurzschwert, drei Ereignisse, die gleichzeitig stattfanden.
Mein Schwert hieb das fliegende Messer zur Seite, das einer der Männer nach mir geworfen hatte.
Kommentarlos steckte ich das Schwert wieder zurück und ging entschlossen auf die Männer zu.
Nichts und niemand würde sich mir in den Weg stellen, das wusste ich genau.
Schnell wandten sie sich ab und eilten zurück in die Taverne.
Meine Hand hielt ich der Frau entgegen, ohne auch nur einen Blick nach unten zu werfen, denn in solchen Momenten sollte man die Eingänge von Tavernen im Auge behalten.
Sie zog sich an meiner ausgestreckten Hand nach oben und stand Sekunden später vor mir, um auch schon wieder zu Boden zu gehen.
Mein Arm hatte sie kraftvoll zu Boden geschleudert, während wieder das Schwert aus der Scheide sprang um den Pfeil zur Seite zu fegen, der sich ansonsten der Frau in den rücken gebohrt hätte.
Irgend etwas machte Klick in meinem Bewusstsein und es gab kein Zurück mehr.
Gemessenen Schrittes ging ich auf die Taverne zu, ohne dass ich das Schwert zurücksteckte.
Sieben Schritte vor dem Eingang blieb ich stehen.
"Ich gebe euch nun eine letzte Gelegenheit das Weite zu suchen!"
Ich rief diesen Satz in die Taverne, schien es mir dann aber anders zu überlegen, denn es hatte ja zuvor Klick gemacht.
Mit zurückgestecktem Schwert stürmte ich die Taverne.
Es mag wohl einige Minuten gedauert haben.
Irgend jemand schien den Vorhang, der sich vor mein Bewusstsein geschoben hatte beiseite zu schieben.
Ohne Eile ging ich wieder nach draußen, zu der Frau, die nun ohne fremde Hilfe aufgestanden war.
Mit weit geöffneten Augen blickte sie mir entgegen.
"Du lebst, Fremder!"
Ich lachte.
"Klar lebe ich! Aber einige in der Taverne werden wohl noch lange Zeit damit verbringen sich an den heutigen Tag zu erinnern! An den Tag, als sie sich Polonius in den Weg stellten."


Etwas riss mich zurück in den kanalartigen Tunnel, zurück in die Gegenwart.


Zurück in die Gegenwart?







*





Bisher hatten wir an dieser Stelle einen Text, der bis zum 04.09.2001 fertiggestellt worden war.
Nun behauptete Fenda Loras, er habe den bereits vorhandenen Text noch einmal durchgelesen, um ihn zu ergänzen.
Weiterhin habe er eine E-Mail von der Autorenagentur weitergeleitet bekommen, die ihn dazu motiviert hätte, diese seine Geschichte weiterzuschreiben.

Copyright Autorenagentur.de

zurück zu Autorenagentur


made by: muellers-bueros