Dies ist der Beginn eines zweiten Versuches. Das Werk Codewort-Tamanium war von der Perry Rhodan Redaktion abgelehnt worden, daher hat der Autor begonnen, vorhandene Textpassagen weiterhin zu nutzen und ein neues Buch zu schreiben, in dem die Kritikpunkte - mögliches Überleben Mirona Thetins - nicht vorkommen. Hier ist der Beginn dieses Werkes. Das Buch ist noch nicht vollendet und ebenfalls nicht durch die Perry Rhodan Redaktion legitimiert.

Auf ein neues

C O D E N A M E - B A S T A R D Raumhafen

Prolog

Quinto-Center im Jahr 2656.

Plan

Konzentriert sah der weißhaarige alte Mann in den Holokubus der Positronik. Sein Alter sah man ihm nicht an, nein, er wirkte wie ein Mann in mittleren Jahren.

„Notan Es Vedra!"

Der genannte Name war eine Anweisung an die Positronik.

Im Holokubus erschien in arkonidischen Schriftzeichen der Name der genannt worden war.

Atlan grinste.

`Der Name der gesagt werden kann, ist nicht der Name des Namenlosen!'

Laotse begann sein Werk Tao te King mit diesen Worten, oder genauer, bei diesen Worten handelte es sich um den zweiten Satz.

Unter dem genannten Namen waren Daten erschienen, die der uralte Arkonide nicht zum ersten Mal sah, sich aber ins Gedächtnis zurückrufen wollte, obwohl er Dank seines fotografischen Gedächtnisses nicht einer Positronik bedurft hätte.

`Mutter Akonin aus einer sehr alten Familie. Vater unbekannt, denn seine Mutter hatte sich nie zu diesem Thema geäußert. Notan Es Vedra selber hatte einmal behauptet, sein Vater wäre Sohn einer Anti und möglicherweise eines Oxtorners oder eines anderen Terranerabkömmlings.'

Notan Es Vedra hatte nur einmal von seinem Erbteil an der Kompaktkonstitution seines Großvaters gesprochen, der gerade einmal ausreichen würde, sich ungehindert auf Ertrus zu bewegen, aber schon wenn er die Heimatwelt seines Großvaters besuche, brauche er ein Antigravaggregat, um die zu hohe Schwerkraft von 4,8 g auszugleichen. Diese Bemerkung konnte genau so gut scherzhaft gemeint gewesen sein und schien daher wenig relevant, sich Gewissheit über die Herkunft des Mannes zu verschaffen. Abgesehen von seinem haarlosen Schädel sah Notan Es Vedra aus wie ein Akone oder Terraner. Dank der vielen Sprachen, die er absolut akzentfrei sprach, konnte er sich auf vielen Planeten der Galaxis wie ein Einheimischer bewegen. Er war Galaktohistoriker und Galaktosoziologe, hätte aber auch jederzeit einen Lehrstuhl für humanoide Sprachen übernehmen können, denn er beherrschte zumindest eine gängige Sprache aller wichtigen galaktischen Zentralwelten, auf denen sich Humanoide angesiedelt hatten.

`Aus dem Holokubus ging weiterhin spekulativ hervor, die mögliche Großmutter Es Vedras, immerhin war der Vater unbekannt, sei möglicherweise eine Anti und habe immer behauptet, sie sei von einem Oxtorner vergewaltigt worden, was sich nicht nachweisen ließ. Notan Es Vedra hatte zu diesem Thema nur gegrinst und angegeben, seine Großmutter habe behaupten müssen, es sei ein Oxtorner gewesen, weil sie sich ansonsten die Frage gefallen lassen musste, wieso sie sich nicht gewehrt habe bei einem Oxtorner erübrigte sich eine solche Frage schon von selbst, weil es da nichts zu wehren gegeben hätte.'

Einen Teil seiner Kindheit hatte der interstellare Kosmopolit wohl in einem Báaloltempel der Anti zugebracht, wodurch er als ausgebildeter Báalol-Priester praktizieren konnte. Er behauptete immer, es würde sich um sein zweites Standbein handeln, auch wenn die USO und das akonische Energiekommando, genau wie die solare Abwehr keine gesicherten Erkenntnisse darüber zu haben schienen, um was es sich wohl bei seinem ersten Standbein handeln würde. Zumindest Es Vedra schien sich seiner Sache sicher zu sein, immer noch als Báalolpriester sein Auskommen haben zu können.

„Die Space-Jet mit Notan Es Vedra nähert sich Quinto-Center!"

Die Stimme der Positronik klang an diesem Tage relativ blechern, Atlan hatte auf die Beanspruchung einer lebensecht klingenden Stimme verzichtet.

„Wenn Es Vedra gelandet ist, bringt ihn sofort zu mir!"

Der Alte war sicher, in Es Vedra den richtigen Mann gefunden zu haben. Nun galt es nur noch, ihn von diesem Auftrag durch die richtigen Argumente zu überzeugen.

Letztendlich hatte dieser Auftrag auch etwas mit Laotse zu tun, aber mit dem eigentlichen Anfang, dem ersten Satz des Tao te King.

°Das Wesen, das begriffen werden kann, ist nicht das Wesen des Unbegreiflichen.°

*



1.

Lepso im August 2656 terranischer Zeitrechnung

Es gibt Tage, an denen ich an allem zweifle, sogar an meinem eigenen Verstand.

Obwohl ich mich normalerweise für einen abgeklärten Bürger des Planeten Lepso gehalten hatte, war ich nun in eine Situation geraten, die man alles andere als angenehm nennen musste, mit anderen Worten, mein Leben war massiv bedroht.

Wie konnte ich solche Risiken eingehen, obwohl ich doch vorher wusste, auf was ich mich da einlassen würde?

Ich zog mich noch einige Zentimeter tiefer in das Dickicht zurück.

Keine Sekunde zu früh.

Ein Sirren in der Luft und ein dumpfer Laut direkt vor meinem Gesicht.

Ein etwa drei Meter langer Pfeil hatte sich vor mir in den Boden gebohrt, wo Sekunden zuvor noch mein Kopf gewesen war. Dass es sich bei diesem Instrument um einen Pfeil und keinen Speer handeln musste, erkannte ich an den leitwerkartig angebrachten federähnlichen Auswüchsen am hinteren Ende, die wahrscheinlich erst nachdem der Pfeil seinen Bogen verlassen hatte, ausgefahren worden waren, um ihn im Flug in Rotation zu versetzen.

Wenn ich bedachte, wie ich an diesen Ort gekommen war, wurde ich augenblicklich wütend!

Doch Wut war in dieser Situation das Allerletzte was ich mir leisten konnte. Einer alten Technik der Báalol-Priester folgend, verbannte ich alle Emotionen aus meiner Bewusstseinsebene; keinen Moment zu früh.

Einem Instinkt folgend rollte ich mich zur Seite.

Aus dieser Position hatte ich eine wesentlich bessere Sicht, auch wenn ich mich durch den Positionswechsel in eine lehmhaltige Pfütze gewälzt hatte.

Ein Ertruser entstieg einem Gleiter, der vielleicht einhundert Meter entfernt wenige Zentimeter über dem Boden schwebte. Der Gleiter, vom Gewicht des umweltangepassten Kolonialterraners entlastet, schnellte fast einen halben Meter in die Höhe.

Ertruser verfügen über ein Gewicht von bis zu einer terranischen Tonne. Wenn nun der Gleiter derart in die Höhe geschnellt war, konnte das nur bedeuten, dass dieses Exemplar der umweltangepassten Spezies auf die Benutzung eines Mikrogravitators verzichtete.

Auf dem Rücken des Ertrusers konnte ich einen Köcher mit Pfeilen ausmachen. Der Bogen, den er in seiner linken Hand trug, war mindestens drei Meter lang.

Ich konnte mir lebhaft vorstellen, was ein Pfeil, der diesen Bogen verließ, alles anzurichten im Stande war. Andererseits benötigte man schon die Körperkräfte eines Ertrusers, um ein solches Instrument beherrschen zu können.

Ich wagte kaum zu atmen, als der Ertruser sich langsam umdrehte, um seine nähere Umgebung in Augenschein nehmen zu können.

Ich war nur noch wenige hundert Meter von meinem Ziel entfernt, doch wenn ich die ausgeprägte Muskulatur des Mannes von Ertrus betrachtete, musste ich mir eingestehen, dass durch seine Anwesenheit mein Ziel in weite, ja nahezu unerreichbare, Ferne gerückt war.

Meine einzige Chance bestand darin, nicht gesehen zu werden und mich weiterhin lautlos, langwierig und über Umwege meinem Ziel zu nähern.

Wenn ich es mit tatsächlich gelungen wäre, diesen Koloss zu überwältigen, hätte es keine zehn Minuten gedauert bis die Kampfroboter des staatlichen Wohlfahrtsdienstes das gesamte Arenaareal umstellt hätten, um keine Person mehr herauszulassen. Einen Jäger brachte man nicht zur Strecke, einem Jäger durfte man allenfalls entkommen. Wenn tatsächlich einmal einer der sehr gut bezahlenden Jäger zu Schaden kam, brachten die Kampfroboter alle Lebewesen im Areal auf. Wer nicht als Jäger registriert war, wurde auf einen der berüchtigten Planeten deportiert, auf denen immer nur kleine Raumboote landeten, die nicht mehr im Stande waren, diesen Planeten wieder zu verlassen.

Man war schon vor Jahren dazu übergegangen, dass kein Raumschiff mehr einen Deportationsplaneten verlassen durfte und konnte. Nur so konnte man absolut sicher sein, sich eines unliebsamen Zeitgenossen ganz zu entledigen, es sei denn, man tötete ihn; aber mancher Zeitgenosse war eben der Meinung, es sei eine viel größere Strafe, jemanden auf einen Planeten zu verdammen, von dem es kein Zurück mehr gab.

Der Ertruser schien mich nicht entdeckt zu haben, denn er drehte sich weiter.

Ein Schatten glitt über ihn hinweg. Ein vollrobotisierter Gleiter, der das Arenaareal überwachte, um im archaischen Teil den Gebrauch von Energiewaffen zu verhindern.

Wenn ich mein Ziel aufgesucht hatte, gab es nur noch einen einzigen Weg, den ich zu gehen hatte. In der Mitte des Arenaareales gab es eine Plattform. Wer diese Plattform erreichte, ob Jäger oder Gejagter, durfte das Areal lebend verlassen.

Ich würde wohl warten müssen, bis der Jäger verschwunden war.

Eine heftige Bewegung vollführend wandte sich der Ertruser zu mir um und hatte gleichzeitig einen Pfeil aus dem Köcher gerissen und den Bogen gespannt.

Die Spitze des Pfeiles deutete genau auf mich.

In Sekundenbruchteilen ließ ich die Ereignisse Revue passieren, die mich in diese missliche Lage gebracht hatten...

*



zwei Monate zuvor auf einem Idyll von Planeten...

Langsam sank die Sonne dem Horizont entgegen und tauchte die Strandszene in ein orangefarbenes Licht.

In einer halben Stunde würde ich von meinem Sitzplatz aus den Eindruck gewinnen, sie versinke in den violetten Wogen des Meeres.

Seit gut einer terranischen Woche befand ich mich hier in meiner Fluchtburg, einem Ort in der Galaxis, an dem ich mich absolut sicher fühlen konnte, dessen Geborgenheit ich immer wieder brauchte und in Anspruch nahm - doch...

Die leuchtendgelbe Sonne des Planeten entlockte dem schwarzen Lavasand glitzernde Reflexe, die die der durchbrochenen Wellen nur durch ihre gebündeltere Intensität zu übertreffen vermochten.

Pflanzen, die mir vor einigen Jahren eine Terranerin geschenkt hatte, weil sie dadurch zumindest botanisch an ihren Heimatplaneten erinnert werden wollte, bewegten sich leicht im Wind.

Naturgemäß hatte ich zu diesem Zeitpunkt aber keine Augen für die Wogen des Meeres, die Lichtreflexe des schwarzen Sandes und die exotischen Pflanzen, sondern nur für Netrona, die in der Nähe des ozeanischen Energiegitters, das die kleine Insel umgab, wendete und nun mit schnellen Zügen zum Strand zurückschwamm.

Ich liebte es, in meiner Bucht, fernab vom Geschehen der zivilisierten Galaxis, auszuspannen. Seit einigen Monaten war ich nicht mehr an diesem Ort gewesen, doch nun...

Netrona war eine besondere Frau und ich hatte sie mitgenommen auf dieses Eiland auf dem Planeten Ryk-991, auf diese Insel, die ich vor einigen Jahren von einem Arkoniden unter Hinzuziehung von einigen Mittelsleuten, gekauft hatte.

Mit meiner linken Hand ergriff ich das Glas Bourbon, das neben mir auf einem schwebenden Tablett stand; Netrona hatte mir diese Flasche geschenkt. Sie wusste genau, dass man mich mit einem guten Bourbon erfreuen konnte.

Netrona war eine außergewöhnliche Frau, die meine Emotionen in Wallung gebracht hatte, so dass ich mir zu diesem Zeitpunkt kein Leben mehr ohne sie vorzustellen vermochte. Netrona Garith war eine Anti, die einen längeren Zeitraum ihres Lebens auf Lepso zugebracht hatte und der es genau so wie mir zu gefallen schien, in dieser Idylle ein Empfinden für Geborgenheit und Sicherheit zu realisieren, wie man es in den vergangenen Jahrhunderten nur an wenigen Orten der bekannten Galaxis gekannt hatte. Ich hatte schon seit Jahren keine Person mehr hierher mitgenommen und bei meiner Netrona erstmals wieder eine Ausnahme gemacht; bei meiner Netrona, wie das klang...

Wenn es eines war, was man den Terranern immer schon zutrauen gekonnt hatte, war es die Herstellung wohlschmeckender und dezent wirkender alkoholischer Getränke. Die Sonne ließ das Glas mit Bourbon in meiner Hand die eigentümlichsten Reflexe entwickeln. Der Whiskey schimmerte geheimnisvoll. Ich schwenkte das Glas in meiner Hand, wie ich es vor einigen Jahren bei dem Leiter der USO, Lordadmiral Atlan, in einer Trivideosendung gesehen hatte.

Wenn Netrona aus dem Wasser kam, konnten wir uns mit meinem Gleiter zu einem der Restaurants begeben, die die Küste des Festlandes säumten.

Ich nahm einen kräftigen Schluck des terranischen Getränkes.

Der Whisky schmeckte etwas ungewöhnlich und ich wollte mir schon die Aufschrift der Flasche genauer ansehen, um sicher sein zu können, dass es sich nicht um Scotch handelte, als ich sah, dass Netrona sich aus den Wellen des Ufers erhob und mich musterte. Ich konzentrierte meinen Blick auf diese schöne Frau und kippte den Rest des Whiskys herunter.

Eine schöne Frau mit dem Hang zu altmodischen Gepflogenheiten; sie griff nach einem Badetuch, als würde es auf dieser meiner Insel keine Körpertrocknungsanlagen für Badegäste geben.

Während sie sich abtrocknete, kam sie langsam näher.

Als sie das Badetuch um ihren wohlgeformten Körper schlang, um es festzustecken, verschwammen ihre Konturen vor meinen Augen.

Ich wollte meine Lider zusammenpressen, um danach wieder einen klaren Blick zu haben, doch es gelang mir nicht, meine Augen zu schließen. Ein Klirren machte mich darauf aufmerksam, dass mir das Glas aus der Hand gefallen war. Ich konnte mich nicht mehr bewegen.

Panik kam auf!

Meine Gedanken rasten. Was war geschehen? Der Whisky hatte eigenartig geschmeckt, sollte es möglich sein, dass ich diese Marke nicht vertrug? Allerdings handelte es sich dabei um eine handelsübliche Rezeptur für alle bekannten Lemurerabkömmlinge, also konnte es daran nicht liegen.

Es sei denn...

Es sei denn, man hätte diese Flasche manipuliert.

Netrona blieb vor mir stehen. Die einzige Bewegung, der ich noch fähig war, war ihr mit den Augen zu folgen.

Sie sah mich mitleidig an.

„Tut mir leid, Notan Es Vedra!"

Ich konnte nichts erwidern.

Die Flasche, Netrona hatte mir diese Flasche geschenkt, also musste sie zumindest, so wie sie sich nun verhielt, gewusst haben, dass sie eine Droge enthielt, die mich in deinen solchen Zustand zu versetzen, im Stande war.

Ein Teil meines Bewusstseins versuchte die Situation zu analysieren, während ich versuchte mit den Antianteilen meiner Persönlichkeit wieder Gewalt über meinen Körper zu erlangen.

Netrona beugte sich zu mir hinab und griff nach meinem Modul, dass ich am rechten Handgelenk trug.

Spätestens in diesem Augenblick hätte ich allen Grund gehabt in Panik zu verfallen, doch war mir eines klar, es konnte nicht primär um mein Leben gehen, denn in dieser Situation war ich Netrona derart ausgeliefert, dass sie alles tun gekonnt hätte.

Mit geschickten Griffen desaktivierte sie die Sicherheitssysteme meiner kleinen Fluchtburg.

Ein Gong der insulanen Überwachungspositronik klang auf.

„Mehrere fliegende Objekte vom Typ Space-Jet im Anflug! Erwarte Anweisungen!"

Nichts weiteres geschah.

Provokant ließ Netrona ihr Badetuch zu Boden gleiten und griff nach ihrer zuvor getragenen Robe, um sie sich überzuziehen.

Sie beugte sich flüchtig über mich.

„Es wird dir nichts geschehen, sonst hätte ich nicht mitgespielt!"

Wenn das, was sich bisher abgespielt hatte nur ein Spiel sein sollte, interessierte mich doch sehr, wer dahinter steckte.

Der Gong der Überwachungspositronik klang erneut auf.

„Vier fliegende Objekte vom Typ Space-Jet nähern sich. Bewaffnung wurde geortet. Anweisungen scheinen dringend erforderlich!"

Warum hatte ich nicht mehr Phantasie bei der Programmierung dieser Positronik walten lassen? Warum hatte ich ihr nicht mehr Kompetenzen eingeräumt?

Konnte ich wirklich so borniert gewesen sein, mich darauf zu verlassen, zu jeder Zeit einsatzfähig zu sein?

Diese Einsicht kam wohl nun zu spät.

Der Gong klang ein drittes Mal auf.

„Vier Space-Jets gelandet!"

Netrona Garith grinste amüsiert, als sie die Durchsage der Positronik hörte. Wäre sie eine Terranerin gewesen, so hätte sie nun den Kopf geschüttelt. Was war das, sie schien tatsächlich etwas mehr mit Terranern zu tun zu haben, als ich dachte, denn sie schüttelte tatsächlich den Kopf. Diese Geste hatte ich noch nie zuvor bei Antis gesehen.

„Beruhige dich, Notan Es Vedra, es wird dir nichts geschehen!"

Sie hatte gut reden, denn mir war ja wohl schon etwas geschehen.

Als sie so auffällig mit dem Kopf geschüttelt hatte, war mir spontan ein Name zu Bewusstsein gekommen, Lauri Marten, doch ich wusste, dass diese terranische Mutantin im Jahre 2436, also vor 220 Jahren, ums Leben gekommen war und dass Perry Rhodan ihren Zellaktivator an seinen Schwiegersohn Geoffrey Abel Waringer weitergegeben hatte, wodurch die Rhodanclique wieder Zuwachs bekommen hatte. Doch es gab ja noch andere terranische Mutantinnen, die sich mir als Anti zu erkennen gegeben haben konnten. Anne Sloane konnte es nicht sein, denn sie war im Jahre 2326 um Leben gekommen, wobei der Siganese Lemy Danger versehentlich ihren Zellaktivator vernichtet hatte, ansonsten hätte Rhodan dieses Ei wahrscheinlich seinem Sohn Michael, der 2435 als Roi Danton ums Leben gekommen war, oder seiner damaligen Tochter gegeben. Blieb nur noch Betty Touffry. War mir an ihr etwas aufgefallen, was sie ständig bei sich trug und was die Größe eines Hühnereis hatte? Nein, die Dame, die ich nur unter dem Namen Netrona Garith kannte, konnte keine Trägerin eines Zellaktivators sein, ich hätte dieses Gerät auch als Schmuckstück getarnt erkannt und zumindest etwas gespürt, in den Stunden, in denen wir uns besonders nahe gekommen waren. Es ging das Gerücht, Perry Rhodans erste Frau Thora sei dadurch, dass sie immer in seiner nähe gewesen sei, auch in den Genuss der Zellerneuerungen durch den Zellaktivator Rhodans gekommen.

Wenn dieses Gerücht stimmte, hätte ich mich in den letzten Monaten besonders wohl fühlen müssen, wenn es sich bei dieser Frau um Betty Touffry gehandelt hätte.

Bei der Dame Netrona Garith konnte es sich also nur um eine echte Anti handeln, denn die Aura ihrer parapsychischen Begabung konnte sogar ich spüren, der ich nur geringe Antianteile in meinem Erbgut hatte.

Knirschende Geräusche drangen an meine Ohren.

Die hünenhafte Gestalt eines Ertrusers in durchaus handelsüblicher Kleidung, trat in mein Blickfeld. Ich gewahrte weiterhin die Schatten einiger anderer Personen, die sich nun auf meiner Insel aufzuhalten schienen.

„Ist alles klar! Können wir den Akonen mitnehmen?"

Diese Stimme war unschwer als die eines Ertrusers zu erkennen.

Mich wunderte die Klarheit meiner Gedanken und das Ausbleiben einer größeren Panik. Wenn ich meine Lage überdachte, konnte ich eigentlich nur in die Hände der terranischen Solaren Abwehr geraten sein, was immer das an Konsequenzen für mich zu bedeuten hatte.

„Nein, wir werden den Akonen nicht so einfach mitnehmen!"

Diese Stimme gehörte eindeutig nicht zu einem Ertruser, war aber nicht minder befehlsgewohnt.

Ich konnte erkennen, dass Netrona den Mann, der zuletzt gesprochen hatte, erwartungsvoll ansah, während der Ertruser Haltung annahm.

Wenn ich eines in meinem Leben zu hassen gelernt hatte, dann waren es die militärischen Ehrenbezeugungen der Terraner und die nicht minder hierarchisch strukturierten Gewohnheiten der traditionsreichen akonischen Familien.

Der Neuankömmling trat in mein Gesichtsfeld und ich war in diesem Augenblick froh, unter dem Einfluss einer lähmenden Droge zu stehen, denn ansonsten wäre ich wohl Gefahr gelaufen, meine Fassung zu verlieren.

Vor mir stand ein Mann, den sein berühmtes Lächeln schon vor zwei Jahrhunderten zu einer der schillerndsten Persönlichkeiten der bekannten Galaxis gemacht hatte. Auf seiner Brust baumelte an einer Kette aus hochwertigem Arkonstahl sein Zellaktivator, den er sich unter mysteriösen Umständen beschafft hatte.

Ronald Tekener!

Eine lebende Legende.

Was hatte ich noch vor wenigen Minuten gedacht, als Netrona sich anschickte, das Wasser zu verlassen?

Seit gut einer terranischen Woche befand ich mich hier in meiner Fluchtburg, einem Ort in der Galaxis, an dem ich mich absolut sicher fühlen konnte, dessen Geborgenheit ich immer wieder brauchte und in Anspruch nahm - doch...

Nun fiel es mir nicht mehr schwer, den begonnenen Satz zu beenden.

...doch absolute Sicherheit gibt es nicht, auch wenn ich mich vielleicht zu sehr dieser Illusion hingegeben hatte.

Der Smiler grinste.

„Für dich gibt es jetzt zwei Möglichkeiten, Akone! Die erste Möglichkeit heißt Beseler..."

Als Galaktohistoriker wusste ich, dass Tekener vor zweieinhalb Jahrhunderten die Flucht vom Strafplaneten Beseler gelungen war. Daher wusste ich natürlich auch, dass man mittlerweile keine Chance mehr hatte, einem solchen Planeten zu entkommen. Man verbrachte den Rest seines Lebens auf einer Welt voller Schwerverbrecher und persönlichkeitsgestörter Gefangener, für die es kein Zurück mehr gab.

Hätte ich doch zumindest die Möglichkeit gehabt, mit meiner Faust zu drohen!

Tekener fuhr fort, nachdem er seine Kunstpause wirken gelassen hatte.

„Und die zweite Möglichkeit lautet Kooperation mit der USO!"

Teilnahmslos blickte er an mir vorbei zu einer Person, die ich nur als Schatten gewahrt hatte.

„Doktor, die Injektion!"

In mein Blickfeld trat eine Aramedizinerin und verpasste mir eine Hochdruckinjektion in den Muskulus-sterno-claido mastoideus, den sogenannten Kopfnicker.

Ich kannte mich gut genug mit Medizin aus, um zu wissen, dass durch den Ort der Injektion die Zeit bestimmt wurde, die es dauerte, bis ich mich wieder normal bewegen konnte. Hätte die Medizinerin nicht den Muskel gewählt, sondern die Arteria karotis, hätte ich innerhalb weniger Sekunden wieder aufstehen können und einige Stunden mit Schmerzen besonders im Kopf zu kämpfen gehabt. Durch die primär intramuskulär erfolgte Applikation aber erreichte sie, dass meine Erlangung der vollständigen Körperkontrolle noch einige Minuten auf sich warten ließ, dass ich aber danach nicht mit Schmerzen oder einem Schwindelgefühl zu kämpfen haben würde.

Ich war natürlich Realist genug, um zu wissen, dass ich gegen die Eindringlinge keine Chance haben würde.

*



Ich saß in einer Space-Jet, schräg hinter einem Epsaler, der als Pilot fungierte. Außerhalb der durchsichtigen Panzertroplonkuppel gewahrte ich den typischen Anblick des Linearraumes.

Seit Jahren hatte ich immer nur Gerüchte vernommen, die geheime Kommandozentrale der USO müsse irgendwo im intergalaktischen Leerraum zu suchen sein, doch nun wusste ich es besser. Ich befand mich tatsächlich in einer Space-Jet, die von einem massigen Epsaler gesteuert wurde auf dem Wege zu jenem Hauptquartier der USO, der ich zwar nicht angehörte, aber für die ich zeitweise bestimmte Aufträge übernommen hatte - ebenso, wie für das Akonische Energiekommando, oder anderer Auftraggeber. Meine Aufgaben im Auftrag der United Stars Organisation hatten mich nie sehr in Anspruch genommen, dennoch war ich viel herumkommen in den letzten Jahren.

Die Koordinatenposition Quinto-Centers kannte ich nicht, würde wohl auch kaum die Möglichkeit erhalten, sie zu erfahren; wahrscheinlich gab es keine Person in dieser Galaxis, Perry Rhodan und seine engsten Vertrauten einmal ausgenommen, die nicht Mitglied der USO war und trotzdem die galaktische Position kannte.

Tekener hatte mir auf meiner Insel mitgeteilt, dass man beabsichtige, mir in Quinto-Center einen Auftrag zu erteilen, bei dem ich doppelt bis dreifach profitieren könne, erstens werde ich ein Belohnung erhalten und zweitens würde man mein auf solaren Konten eingefrorenes Vermögen wieder freigeben und, was nicht zuletzt am schwersten wog, ich würde nicht nach Beseler verfrachtet.

Nach der letzten Linearetappe schien sich unsere kleine Space-Jet nun dem Ziel der Reise zu nähern.

Was sich nun abspielte konnte ich nur im Nachhinein rekonstruieren, denn dieser Vorgang ging so schnell vonstatten, dass die normale Wahrnehmung eines humanoiden Galaktikers damit überfordert war - ein Haluter hätte sicher wesentlich mehr Einzelheiten wahrzunehmen vermocht.

So konnte ich nur kurz ein gut mondgroßes Chemen über der Panzertroplonkuppel der Space-Jet auftauchen sehen und eine rasend schnelle Annäherung, der eine Bremsverzögerung mit Maximalwerten folgte.

Nachdem der kleine Raumer, in dem ich hierher gebracht wurde, die Öffnung in der Mondoberfläche durchstoßen hatte, schloss sie sich hinter uns fast augenblicklich. Tatsächlich wunderte ich mich immer wieder, dass es nie zu Unfällen gekommen sein sollte, bei denen Raumschiffe zu Schaden gekommen waren, denn das Öffnen und Schließen der Eingänge erforderte eine Präzision, bei der es auf Millimeter ankam. Positroniken hatten ganz genau die Größe und Geschwindigkeit des einfliegenden oder ausfliegenden Raumschiffes zu berücksichtigen, der Rest war Millimeterarbeit, die sich in Sekundenbruchteilen abspielte.

Obwohl, eigentlich hätte ich die soeben erwähnten Details nicht kennen dürfen, aber einige Informationen drangen schon nach Außen, auch wenn man die Position wohl nie ergründen würde. Eigentlich handelte es sich bei diesen Daten um Informationen, die dem Akonischen Energiekommando bekannt waren.

Der darauf folgende Schacht durch die Oberfläche des Mondes war dann sechs Kilometer lang, bis man den jeweiligen Hangar erreichte.

Sanft setzte die Space-Jet in dem Hangar auf. Über der durchsichtigen Kuppel schloss sich wieder das innere Schleusentor.

Um einem zufälligen Betrachter eine zwar kraterübersäte, aber ansonsten intakte und unberührte Mondlandschaft vorzugaukeln, hatte man sich hier sehr viel einfallen lassen. Bei Quinto-Center handelte es sich tatsächlich um einen ausgehöhlten Mond, der für die Zwecke der USO ausgebaut worden war. Von außen konnte man nichts anderes erkennen als eine öde Mondlandschaft. Aber um diese Mondlandschaft sehen zu können, hätte es schon starker Scheinwerfer aus großen Raumschiffen bedurft, denn dieser Mond bewegte sich fernab von Sonnen im interstellaren Raum, den Anschein eines verirrten Himmelskörpers hervorrufend, der vielleicht in Jahrmillionen von einer Sonne eingefangen werden würde.

Insider, obwohl ich mich nicht als solchen bezeichnen konnte hatte ich mir die wenigen Informationen, die beschaffbar waren angeeignet, wussten, dass der Kurs dieses vollständig ausgehöhlten Mondes so berechnet war, dass die Kollision mit einer Sonne in den nächsten Jahrtausenden nicht zu erwarten sein würde.

Außerhalb der Space-Jet hellte nun die diffuse Beleuchtung eine geschäftige Szene auf und man konnte unter der vollständig geschlossenen Decke Roboter der unterschiedlichsten Konstruktionen agieren sehen, die soeben einen Shift in einen Raumer der Staatenklasse luden, der in der selben Schleuse stand, wie meine Space-Jet. Sekunden später waren auch die Geräusche, die bei der Verladung verursacht wurden zu hören, atembare Luft begann die Space-Jet zu umströmen.

Ich bedankte mich kurz, knapp und wenig überzeugend bei dem epsalischen Piloten, der mich hergebracht hatte und verließ den Kleinstraumer durch die untere Luftschleuse.

Im Antigrafschacht schloss ich zuvor kurz die Augen, um mich meiner breiten Palette an möglichen Rollen, die ich als Galaktosoziologe auf Lager hatte, bewusst zu werden. Sollte ich hier als Gefangener gehandhabt werden, oder als USO-Spezialist mit pseudomilitärischem Rang? Immerhin gab es keine anderen Möglichkeiten, denn wer Quinto-Center betrat, konnte nur zu einer der genannten Kategorien gehören, ob er nun damit einverstanden war, oder nicht.

Unterhalb des kleinen Raumschiffes wurde ich von einem weiblichen Ordonanzoffizier erwartet. Die junge Frau konnte nicht älter als vierzig Erdenjahre zu sein und schien vom Planeten Terra zu stammen. nach meiner Meinung wirkte die Dame in der Uniform der USO schon relativ deplaciert. Sie salutierte.

„Oberst Es Vedra! Leutnant Mansing meldet sich zur Stelle! Ich habe die Aufgabe, sie umgehend zum Lordadmiral zu bringen!"

Dieser halb gebellte Imperativ wollte mir schon gar nicht gefallen, aber zumindest hatte man mich hier wohl offiziell als USO-Angehörigen erwartet, was zumindest zu diesem Zeitpunkt einen Gefangenenstatus ausschloss.

„Gut, gut meine Liebe! Dann werde ich ihnen eben folgen, und wenn es zum Lordadmiral geht!"

Irritiert sah sie mich an.

Vielleicht hätte ich mein Rollenverhalten doch lieber...

Sie drehte sich wortlos um und ich folgte ihr.

Man spielte also mit mir die Rolle eines USO-Spezialisten durch, der ich nie war und der ich auch nie sein würde. Doch drängte sich mir nur noch die Vermutung auf, dass man hier für einige Angehörige der USO eine Show abzuziehen gedachte, bei der ich wohl oder übel mitspielen musste.

Durch Korridore und Antigravschächte kamen wir dem Allerheiligsten, in dem der uralte Arkonide residierte, immer näher.

Der Lordadmiral wollte mich also selber sprechen.

Wenn ich in eine solche Situation geriet, musste es sich bei dieser Sache um eine hochgradig brisante Angelegenheit handeln.

Das konnte ja heiter werden, denn für einen einfachen Spezialisten, dessen Erscheinungsbild und Auftreten ich nun zu imitieren hatte und dessen Rolle man nun offensichtlich von mir erwartete, war es keine Selbstverständlichkeit, zum Lordadmiral der USO zu gelangen, wenn er schon in die Höhle des Löwen Quinto-Center kam, wobei es sich auch nicht um eine Alltäglichkeit handeln konnte.

Durch zahlreiche versteckte Kontrollen, die ich mehr erahnte, als sinnlich erfasste, geriet ich bald an einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab. Auch wenn meine Hauptbeschäftigung auf dem Wege darin bestand, die mich führende Dame von hinten ausgiebig zu beobachten, konnte dieser Anblick doch nicht darüber hinweg täuschen, dass ich mich hier in einer Situation befand, die ich jedenfalls zu diesem Zeitpunkt, in keiner Weise zu beeinflussen in der Lage war. Minuten später betrat ich das geräumige aber einfach eingerichtete Büro, in dem der uralte Weißhaarige hinter einem Holokubus saß und sich scheinbar angestrengt einige Schaltbilder ansah.

Die Ordonanzoffizierin stand stramm und bellte:

„Sir! Oberst Es Vedra wie befohlen hergebracht!"

Knallte die Hacken zusammen, denen High Heels sicher gut gestanden hätten und verließ den Raum.

Das Schott knallte hinter ihr zu.

Der uralte Arkonide rührte sich nicht.

Er hatte mich sicher nicht hierher bestellt um mich unbeachtet im Raum stehen zu lassen.

Sollte ich mich räuspern?

Nein, die Dame war ja schon laut genug gewesen.

Ich ging zu einem Servoauatomaten, tastete mir einen terranischen Kaffee und sah mich zu ihm um.

„Kaffee?"

Er nickte unmerklich.

Ich drückte wieder die Tastenkombination und sagte zum Automaten, der über eine Positronik verfügte, was unter dem terranischen Firmenschild durch ein Kürzel offensichtlich war:

„Für Atlan!"

Ich stellte ihm den Kaffee neben den Bildschirm und konnte bei einem flüchtigen Blick erkennen welcher Art die Daten auf seinem Bildschirm waren. Es handelte sich um persönliche Informationen über meine Mutter, deren Vollständigkeit mich einerseits in Erstaunen versetzte, mir aber andererseits bewies, wie gut die USO recherchierte.

„Vielleicht sollte ich die Daten geringfügig ergänzen!"

Er blickte kurz auf, meine in die Worte gelegte Polemik bewusst übergehend.

„Scheint mir nicht nötig zu sein."

Er hatte so wie ich akonisch gesprochen, also konnte ich erfreut sein, mit dem alten Arkoniden in der Sprache sprechen zu können, die ich für unsere Unterhaltung ausgewählt hatte. Denn bei allen möglichen Höflichkeitsformen in terranischen Sprachen hatte ich Probleme mit dem Lordadmiral der USO zu reden, wie mit einer beliebigen anderen Person, also hatte ich eine Sprache gewählt, die mir zuließ, als Gleicher unter Gleichen mit ihm zu sprechen.

Auf einen knappen Wink hin setzte ich mich in einen bequemen Kontursessel.

„Ihr stammt tatsächlich aus einer relativ blaublütigen Familie im Blauen System, geht aber auch gut als Terraner Notan Es Vedra durch, Kompliment!"

„Danke Euer Gnaden!"

In dieser Sprache ging mir ein solcher Begriff sehr leicht über die Lippen.

„Zwar gilt meine Mutter nicht zu Unrecht als Akonin alten Geblütes, doch ist mein Vater Abkömmling einer Anti und eines Terraners. Aber das ist sicher nicht der Grund, warum Ihr mich herbestellt habt, Euer Lordschaft!"

„Richtig, ich bin der Meinung, dass Ihr aufgrund Eures Stammbaumes genau der richtige - sagen wir Agent - für meine Erwartungen seid!"

„Ihr habt mich wegen meiner Abstammung herbestellt?"

Der uralte Mann grinste, er schien mir meine Verwunderung, ja Empörung, sehr genau angesehen zu haben.

„Ja!"

Er griff zu der Tasse Kaffee, die ich ihm hingestellt hatte.

„Um der Wahrheit alle Ehre zu machen, gibt es noch einige andere Gründe, warum ich gerade Euch ausgewählt habe."

Sein unmerkliches Zögern, das nun kam, konnte nur gesprächsführungstechnisch zu erklären sein, denn wenn es jemanden gab, der nicht zu zögern brauchte, weil er über mögliche Formulierungen nachzudenken hatte, dann ihn.

„Ihr habt vor langer Zeit immer wieder für die USO gearbeitet. In dieser langen Zeit habt Ihr nicht nur viele Planeten der Galaxis kennengelernt, sondern durch Eure Verhaltensweisen auch bewiesen, dass Ihr nicht käuflich seid, zumindest nicht, was die einzelnen Aufträge angeht. Egal für wen Ihr gearbeitet habt, konnte man sich immer sicher sein, dass Ihr nicht auch für andere gekocht habt. Eure Loyalität der United Stars Organisation gegenüber ist daher pro Auftrag, den Ihr offiziell annehmt als unumstritten zu deklarieren."

Er trank einen Schluck des Kaffees und ich wusste, dass er mir etwas verschwieg, was seine Beweggründe betraf und dass ich es möglicherweise nie erfahren würde.

Ich holte tief Luft, denn wenn ich mich richtig erinnere, hatte ich seit geraumer Zeit nicht mehr geatmet, so sehr hatte mich dieser über zehntausendjährige Arkonide in seinen Bann gezogen.

„Weiterhin gilt Euer permanenter Geldbedarf als unumstritten. Dass Ihr unter diesen Umständen niemals unsere Interessen an das Energiekommando verkauft habt und wir Euch andererseits niemals Informationen über diese akonische Organisation entlocken konnten, ehrt Euch."

„Oder hängt damit zusammen, dass man mich sowieso nicht paramechanisch verhören kann, was sowohl das Energiekommando weiß, als auch die USO! Außerdem lebe ich noch, was beweist, dass es mir immer wieder gelang meinen jeweiligen Kunden zu vermitteln, dass ich unumstößlich kundenorientiert arbeite. Meine Devise, oder sagen wir Überlebendevise war immer, Klientenorientierte Interaktion."

Seine Hand schnellte nach vorn und schlug einen Hebel zur Seite.

„Bemerkenswert schnelle Reflexe, Euer Gnaden!"

Hörte ich mich sagen. Ein Energieschirm hüllte nun den alten Arkoniden und mich ein. Auf diese Weise konnte er sichergehen, unsere gesprochenen Worte so abzuschirmen, dass sie von Nichts und Niemandem mitgehört werden konnten.

„Zunächst, als Einleitung zwei Dinge! Alles, was wir in dieser Energieglocke besprechen, bleibt unter uns, dass heizt, du redest nur noch mit mir oder Tekener über alles Weitere!"

Ich rührte mich nicht, irgendwas musste der alte Mann doch im Schilde führen.

„Das war der erste Punkt, Atlan. Wie sieht es mit dem zweiten aus?"

„Wenn du in meine persönlichen Dienste trittst, werde ich deine Bezüge zunächst verdoppeln, dass heißt, das Doppelte von dem bezahlen, was immer du willst und dann werden wir weiter sehen."

Schwarze Ringe tanzten vor meinen Augen. Aus mir völlig unersichtlichen Gründen hatte Atlan die Klimaanlage auf die Verhältnisse in einer terranisch-finnischen oder oxtornischen Sauna eingestellt, oder meine Wärmerezeptoren spielten mir einen Streich.

„In welcher Funktion gedenkst du mich einzustellen? Als Butler?"

Atlan amüsierte sich köstlich.

„Als Agenten in eigener Sache!"

Ich schluckte.

Atlan schob mir einen kleinen Speicherkristall über den Tisch.

„Mein erster und wahrscheinlich auch einziger Auftrag an dich ist eine Personenfahndung!"

„Wo ist der Haken? Euer Ehren?"

Ich stand auf, konnte mich aber aufgrund des aktivierten Energieschirmes nicht weit bewegen, so umrundete ich den alten Arkoniden einmal und kehrte dann zu meinem Kontursessel zurück.

„Was mache ich, wenn ich die Person gefunden habe?"

„Du bringst sie zu mir, nicht nach Quinto-Center, Terra oder Arkon, sondern zu mir. Von der Belohnung wirst du ein Leben in Saus und Braus führen können. Wenn du die Person nicht findest, kannst du ganz regulär in Rente gehen, ohne den Auftrag beendet zu haben, du müsstest die Informationen dann nur an deinen Nachfolger weitergeben!"

Ich sah auf den Speicherkristall.

„Die Informationen meiner Vorgänger? Wie viele Vorgänger gab es überhaupt?"

Er sah mich mit seinen alten Augen an, den Augen, die schon so vieles erblickt hatten, über das Atlan noch Jahrtausende schweigen würde.

„Die Informationen werden dir schon weiterhelfen..."

„So wie dann meine Informationen meinem Nachfolger weiterhelfen werden!"

Ich unterdrückte den Impuls aufzustehen.

„Eines ist nun sonnenklar, bei der gesuchten Person handelt es sich um den Träger eines Zellaktivators! Wen sonst sollte man über einen längeren Zeitraum suchen wollen, wenn nicht einen relativ Unsterblichen?"

Seine Augen verrieten weder Zustimmung noch Ablehnung, aber irgend etwas in diesem Blick schien mich aufzufordern, mit meiner assoziativen Gedankenkette fortzufahren.

Als ich zögerte konnte ich die erste Reaktion in seinen Augen wahrnehmen. Bei Arkoniden kann man fast alle Emotionen in den Au gen erkennen. In diesem Fall verengten sie sich, aber nicht in einem Masse unmerklich, wie es bei unwillkürlichen Reaktionen üblich war, sondern eine Idee stärker, so musste ich also von einer bewussten Bewegung ausgehen.

„Aktivatoren tragen zur Zeit außer dir, Perry Rhodan, Allan D. Mercant, Julian Tifflor, Homer G. Adams, Mory Rhodan-Abro, Ronald Tekener, Geoffrey-Abel Waringer und Reginald Bull. Das sind neun Personen! Außerdem verfügen noch einige Mutanten des Mutantenkorps der Solaren Abwehr über Zellaktivatoren. Das sind John Marshall, Kitai Ishibashi, André Noir, Ralf Marten, Wuriu Sengu, Iwan-Iwanowitsch Goratschin, Betty Toufry, Fellmer Lloyd, Ras Tschubai, Tako Kakuta, Son Okura und Tama Yokida. Das sind zwölf Aktivatoren für Terramutanten. Einundzwanzig bekannte Personen tragen also zur Zeit ein solches Gerät."

Meine Kunstpause hatte nur den Sinn, ihm Gelegenheit zu geben, mich zu unterbrechen, was er nicht tat.

„Da meines Wissens niemand der aufgezählten Zellaktivatorträger verschollen ist, kann es sich nur um eine Person handeln, die im Besitz eines der Aktivatoren ist, die der Unsterbliche von Wanderer über die Galaxis ausgeschüttet hat oder..."

Dieses Oder hatte ich nicht wie eine Frage klingen lassen. Aber auch wenn ich es als Frage gedacht hätte, der Alte machte nicht die geringsten Anstalten, zu einer Antwort, welcher Art auch immer, anzusetzen.

„Du erwartest also von mir, einen Aktivatorträger zu finden, den entweder alle Welt für tot hält, oder eine Person, die einen der von ES ausgestreuten zwanzig Aktivatoren gefunden hat, das heißt einen der vier noch verschollenen, und ihn nun trägt!"

Da er keine weitere Reaktion zeigte, fühlte ich mich weit genug bestätigt, um mit meinen Gedankengängen fortfahren zu können.

„Wenn es sich um einen der ausgestreuten Aktivatoren handeln würde, wenn irgenein galaktischer Abenteurer aus welchem Grunde auch immer in den Besitz eines dieser Eier geraten wäre, wäre es ein Leichtes, die ganze USO und die Solare Abwehr auf diese Thematik anzusetzen; du hättest wahrscheinlich innerhalb eines halben Jahres Erfolg!"

Grinsend lehnte er sich nun zurück, als genösse er meine verbalen Ergüsse.

Konnte er sich nicht endlich dazu herablassen, mich zu bestätigen oder zu widerlegen?

„Ergo handelt es sich um eine Person, die schon seit Jahrhunderten tot ist, oder für tot gehalten wird, bei der im Augenblick des Todes der Zellaktivator vernichtet wurde, beziehungsweise, der es gelang, einen diesbezüglichen Eindruck zu vermitteln!"

Nun war es an mir, mich genüsslich zurückzulehnen, denn meine Assoziationskette hielt ich für in sich schlüssig und somit war ich der Meinung, Atlan sei am Zug.

Ich sollte mich irren.

„Und?!"

Der alte Arkonide verlangte allen Ernstes von mir weiterzumachen.

Ich schüttelte den Kopf wie ein Terraner.

Tatsächlich verfügte ich bis zu diesem Zeitpunkt nur über eine einzige Information, über ein einziges Wort des Arkoniden und war gezwungen worden, alle weiteren Überlegungen selber anzustellen Personenfahndung.

„Du solltest zunächst einmal den Schirm kurz desaktivieren!"

Er zog die linke Augenbraue hoch.

„Da ich kein USO-Spezialist bin, sondern Privatmann und es sich bei meinem Auftraggeber um einen angesehenen und einflussreichen Arkoniden handelt, gestatte ich mir einen guten Schluck alten schottischen Whiskys."

Während seine Hand nach vorne fuhr, um mir meinen Wunsch zu er füllen, stand ich auch schon auf, um das Schirmfeld im Augenblick seines Zusammenbruches zu durchschreiten.

„Bourbon, Notan! Lass uns lieber Bourbon trinken!"

Die Servoautomatik ließ hinter ihrer sich öffnenden Klappe eine Flasche Whisky erscheinen und zwei Gläser. Auf dem altterranischen Etikett stand tatsächlich etwas von Tennesse zu lesen, das sich sicher nicht in Schottland, sondern auf dem Kontinent Amerika befand.

Als ich zu Atlan zurückkehrte, war das Grinsen auf meiner Seite.

Nachdem wir uns zugeprostet hatten, schaltete der Weißhaarige wieder das Schirmfeld ein und sah mich an.

„Ich schließe aus deinem Verhalten, dass du den Auftrag annimmst!"

„Du vermutest richtig was geschah mit meinem unmittelbaren Vorgänger?"

„Er wurde auf Lepso von einem der Nachfolger Ehret Jammuns persönlich getötet, dem alten Boss des Geheimdienstes, den man staatliche Wohlfahrtsorganisation nennt!"

„Das ist schlecht! Du erwartest also von mir, die Suche fortzusetzen und diese Person mit dem Zellaktivator zu finden. Da du keine Angst zu haben scheinst, dass ich der Person den Zellaktivator abnehme, um dann meinerseits unsterblich zu werden, was mir durchaus zuzutrauen wäre, scheint es sich um einen Aktivator zu handeln, der auf die Individualschwingungsfrequenz seines Trägers eingestellt wurde."

Ich goss uns beiden Whisky nach.

„Legst du Wert auf Rache? Soll ich Ehret Jammuns Nachfolger einen Unfall erleiden lassen?"

„Vergiss es vorerst!"

Sein Blick drückte unmissverständlich sein Missfallen bezüglich Ehret Jammuns Nachfolger aus, also fuhr ich fort.

„Du Atlan sitzt vor mir, deinen Zellaktivator kann ich sehen, Perry Rhodan hat seinen mit Sicherheit auch nicht verlegt. Reginald Bull, Allan D. Mercant, Julian Tifflor, Homer G. Adams, Geoffry Abel Waringer und Mory Rhodan-Abro treten so häufig in der Öffentlichkeit auf, dass sie es auch nicht sein können. Das gleiche gilt für die zwölf genannten Mutanten der Solaren Abwehr. Der Zellaktivator Arno Kalups wurde im Terrajahr 2440 bei einem Experiment vernichtet, da bin ich mir sicher. Anne Sloane kam bei einem Einsatz ums Leben und wenn Lemy Danger nicht den Aktivator versehentlich zerstört hätte, wüsstest du sicherlich, wo er jetzt ist, immerhin handelt es sich bei Danger um einen USO-Spezialisten. Bei allen anderen Aktivatorträgern, die starben ohne dass das Gerät Schaden nahm, wurden die Eier an Nachfolger übergeben, die vornehmlich dem Dunstkreis des großen Terraners zuzuordnen waren!"

Selbst bei der Spitze gegen Perry Rhodan rührte der Arkonide sich nicht, also fuhr ich nach einigen Sekunden des Nachdenkens fort.

„Es gab nur insgesamt fünfzehn Aktivatoren, die nicht auf andere Personen übertragbar waren."

Atlan nickte unmerklich und seine Augen verengten sich.

Es war klar, dass ihn die von mir genannte Zahl überraschen musste, denn jeder, oder sagen wir, fast jeder Bewohner der Milchstrasse hätte behauptet, es habe immer nur zwei Zellaktivatoren gegeben...

„Einen trägst du selber, einen Perry Rhodan und dreizehn wurden, so die offizielle Version, vernichtet. Es handelte sich dabei um die Zellaktivatoren der Meister der Insel!"

„Ja Notan, die Meister der Insel!"

„Da ganz genau bekannt ist, unter welchen Umständen die sechs Meister der Insel vor einigen Jahrtausenden ums Leben kamen, indem nämlich Faktor I ihre Aktivatoren umschaltete, weil sie seine beziehungsweise ihre Identität erkannt hatten und weil sechs weitere Zellaktivatoren vernichtet wurden, als ihre Träger von Terranern getötet wurden, kann es sich nur um eine einzige Person handeln, die ich für dich suchen soll. Dadurch wäre mir auch verständlich, warum es nicht die Spezialisten Eurer USO machen können und warum ich diese Person bei Atlan abliefern soll und nicht auf Terra oder sonstwo. Die Person, die ich für dich finden soll, ist niemand anderes als Faktor 1 der Meister der Insel!"

Atlan nickte andächtig.

„So kann man es sagen Es Vedra, aber nur, wenn es sich wirklich nur um den Träger oder die Trägerin eines Zellaktivators handeln sollte!"

Er lehnte sich in seinem Sessel zurück.

„Und deine Schlussfolgerungen sind so falsch wie richtig! Dein profundes Wissen über die Träger der Zellaktivatoren versetzt mich offen gestanden in Erstaunen, immerhin sind solche Informationen nicht jedem Intelligenzwesen dieser Galaxis zugänglich. Doch werde ich dich nicht hier und jetzt fragen, woher du dieses Wissen bezogen hast. Der einzige Fehler in deinen Ausführungen ist aber auch eine Art von Hoffnung, doch das wirst du erst später verstehen, Notan! Es muss sich nicht unbedingt um einen Zellaktivatorträger handeln! Tatsächlich kann es genau so wahrscheinlich um eine Person gehen, die sich mittels des alten Langlebigkeitsserums der Aras über einen längeren Zeitraum scheinbar ungealtert gehalten zu haben scheint. Warum sollte die gesuchte Person nicht über, sagen wir, noch einige Ampullen des Serums verfügen? Oder, was genau so wahrscheinlich ist, warum soll diese Person nicht einige Jahre gewonnen haben, indem sie sich mittels Zeitdilatation in einem knapp unterlichtschnellen Raumschiff bewegt hat?"

„Du hast natürlich recht, Atlan. Du hättest mich aber nicht unbedingt so lange in die falsche Richtung spekulieren lassen müssen!"

„Warum nicht? Auf diese Weise konnte ich immerhin erfahren, dass du viel zu viel über die bestgehüteten Geheimnisse des Solaren Imperiums informiert bist!"

Er sah mich eine Weile ernst an, dann beugte er sich wieder vor.

„Zumindest beweist mir dieser Umstand ein weiteres Mal deine Eignung! Denn wer sich so brisante Daten beschafft, der kann auch in ähnlicher Weise für meine Interessen erfolgreich sein!"

„Kein Wort mehr über die Drohungen, die dein Spieler und Kettenhund Tekener ausgesprochen hat? Oder spielt ihr nur Lieber Onkel böser Onkel und du hast den Part des Lieben übernommen?"

Das nun folgende Grinsen war so ehrlich, wie es nur sein konnte.

„Du mußt wissen wie schwer es für Ronald ist, immerhin war er es, der vor gut zweihundert Jahren auf Lepso für uns im Einsatz war. Er kann sich auf diesem Planeten nun genau so wenig sehen lasse, wie ich. Aber wenn er dir gegenüber irgendwelche Drohungen ausgesprochen hat, wird er es nicht so gemeint haben."

„Nun gut Atlan, dein Wort in Rhodans Ohr!"

Er lachte, schien er doch diese Verballhornung eines alten Ausspruches noch nicht gehört zu haben.

„Notan, wir sind in einer Situation, in der es uns auch gar nichts mehr nützt, auf Lepso über ein einigermaßen gut getarntes USO-Netzwerk zu verfügen. Nein, wir brauchen jemanden, der sich in galaktischer Geschichte auskennt, der sich auf Lepso völlig uneingeschränkt bewegen kann und dem das Energiekommando genau so wenig in die Quere kommt, wie der Staatliche Wohlfahrtsdienst des Planeten. Vielleicht solltest du dir noch einmal genau die Whiskeyflasche ansehen, aus der du uns eben eingeschenkt hast."

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