Der Dimensionstaucher

von Alexander Glaser

"Meinst du, es klappt?"

"Was glaubst du, alter Freund?"

"Du kennst meine Bedenken, die ich von Anfang an hatte. Ich befürchte, diesmal sind wir zu weit gegangen", sagte Haldeman, der Ältere von beiden, mit dem sonoren Bass in der Stimme, die hagere Gestalt konterkarierend, die jeden unbefangenen Betrachter vermuten ließ, er breche jeden Augenblick in der Mitte auseinander.

Der Mann neben ihm konnte gegensätzlicher dazu nicht sein: Er war von rundlicher Gestalt und mit einer Fistelstimme geschlagen, die ihm bereits während der Studienzeit an der Starfleet Academie of Science in Europolis, mehr Spot als Fairness unter den Absolventen eingebracht hatte. Splida beugte sich etwas nach vorne, um dem Freund näher zu kommen. "Wann legst du endlich deinen Starrsinn ab und öffnest dich für Neues?", fragte er.

Haldeman sog geräuschvoll die Luft zwischen den weit auseinanderragenden Schneidezähnen ein. Dabei schüttelte er verneinend den Kopf, was Splida, der trotz demonstrativem Querdenkertums immer Kollege und Freund geblieben war, sichtlich amüsierte.

"Säße ich sonst hier, wenn ich das nicht schon längst getan hätte, alter Freund?", antwortete er langsam.

Sie kannten sich bereits eine halbe Ewigkeit. Trotzdem waren sie was ihre Arbeit betraf häufig unterschiedlicher Meinung. Dies führte jedoch nicht zu einer gegenseitigen Blockade der Ideen, nein, ganz im Gegenteil: es befruchtete die Arbeit beider eher, spornte sie an, Höchstleistungen aus ihren Köpfen zu quetschen, für den Fortschritt; zum Wohle der gesamten Menschheit, auf ihren unzähligen Kolonien im Imperium Solaris. Darüber hinaus entstand beim Betreten von wissenschaftlichem Neuland ein gewisses Korrektiv, dass beide vor Fehlentwicklungen bewahrte – zumindest war das bisher so gewesen.

Sie waren alleine in ihrem anspruchslosen Kontrollraum. Beide saßen auf nachgiebigen Kontursesseln und starrten die Panoramaholografie an, die sich bereits die ganze Zeit über langsam um ihre vertikale Achse drehte. Für eine Umdrehung benötigte sie ungefähr eine halbe Stunde.

In ihrem Innern zeigte sie den Aufbau einer eigentümlichen Konstruktion, bestehend aus kleinen Röhrensystemen, die in sich selbst geschwungen, immer wieder andere Röhrenleitungen umwandten, nur um ihrerseits ebenfalls umwunden zu werden, geformt zu einem gewaltigen Würfel, dessen Oberfläche gänzlich aus mäandernden Röhren bestand.

Haldeman nannte die Maschine verächtlich Splidas Alptraum, und er hoffte inständig, sie würde nicht zu einem solchen werden.

Splida sah ihre Maschine in einem völlig anderen Licht, glaubte er vielmehr an die gewaltigen Chancen, die sich mit ihr für die Weiterentwicklung des Imperiums boten. Nicht zuletzt war sie die Krönung seiner jahrzehntelangen Forschung im Bereich der hochfrequenten Hyperphysik, von der er sich erwartete, selbst die letzten noch bekannten Grenzen endgültig zu durchbrechen.

Er wollte das Tor ins Unfassbare aufstoßen: jenes Tor, welches ihn durch unbekannte Dimensionen führen sollte – selbst den Hyperraum wollte er dabei hinter sich zurücklassen, um weit in Raum und Zeit abzutauchen.

"Der Dimensionstaucher wird einwandfrei funktionieren, ich spüre es nicht nur, sondern ich weiß es." Splidas Augen leuchteten wie im Scheinwerferlicht, obwohl die indirekte Beleuchtung des Labors stark gedämpft lediglich dafür sorgte, ungestört auf Holo und Kontrollen blicken zu können. Selbst das Etikett einer Labso – Cola – Flasche wäre vor ihren Augen nur schwer lesbar gewesen.

"Und du...", fügte er rasch hinzu, noch bevor Haldeman etwas einwenden konnte, "... willst doch tief in deinem Innern auch, dass unser Kunstwerk zum Leben erwacht, stimmt`s, oder habe ich recht?"

Halderman schüttelte den Kopf. "Splida, mein alter Freund, du hast immer noch nicht begriffen, warum ich all die Jahrzehnte an deiner Seite mitgearbeitet habe. Von Anfang an wusste ich, dass niemand in der Lage sein würde, dich von deinem Vorhaben abzubringen. Aber du bist ein noch größerer Sturschädel, wie ich dachte."

"Danke für die Blumen, alter Freund." Der Mann mit den speckigen Haaren machte eine wegwerfende Handbewegung, denn offensichtlich war er mit der Antwort seines alten Freundes absolut unzufrieden. Dann wandte er sich wieder den blinkenden Kontrollen zu, so, als ob ihn die Worte Haldemans eigentlich gar nichts angingen.

"Hör mir endlich zu, Splida..." Haldeman packte Splidas Arm, und zog kräftig daran. Der massige Körper rutschte herum – die Augen weit geöffnet. "Splida. Mir war sofort klar, dass du diesen verfluchten Dimensionstaucher bauen würdest, als du damals in mein Haus kamst, vor vielen Jahren, erinnerst du dich noch daran? Mitten in der Nacht! Du hast mich stundenlang mit deiner Zeittheorie traktiert. Immer und immer wieder, während ich todmüde nur ins Bett wollte, weil ich den ganzen Tag über eine Horde Klasse A – Studenten in der Uni zu versorgen gehabt hatte. Doch das war dir völlig gleichgültig: du hattest nur diese Haldeman / Splida – Kontroverse von Raum und Zeit im Kopf und wie man damit die Grenzen unserer banalen Hyperfeldphysik endgültig sprengen konnte. Bereits damals wusste ich, du würdest dieses Ding bauen, komme was da wolle. Und ich wusste auch sofort, dass es nur eine Chance geben würde, größeres Unheil für das Universum abzuwenden: Ich musste mitarbeiten, um auf diese Weise wenigstens den Schaden so weit wie möglich begrenzen zu können. Verdammt, Splida: ich wollte doch nur ein theoretisches Modell entwickeln, mit dem man die absolute Bewegung in Raum und Zeit beschreiben konnte – zumindest im mathematisch – hyperphysikalischen Abstrakt. Mehr wollte ich nicht, verstehst du das, mein alter Freund? Aber was du daraus gemacht hast ist Irrsinn. Du spielst mit den Grundfesten des Kosmos, wie ein kleines Kind, dass man in ein Atomwaffenarsenal eingesperrt hat, und das dort nun ungehindert herumtobt. Verdammt, hör auf, solange es noch möglich ist."

Für einen Augenblick nur wirkte Splida irritiert; er zuckte wild mit dem rechten Mundwinkel – was er immer tat, wenn er aus dem Konzept gebracht wurde. Aber auch Haldeman, der sich in Rage geredet hatte, war vom eigenen Temperament überrascht. Zumal er nicht wirklich einschätzen konnte, welchen Eindruck seine Worte auf Splida gemacht hatten.

Plötzlich schien die Luft um Haldeman unter Hochspannung zu stehen: Es knisterte. Dann aber grinste der Dickliche mit den speckigen Haaren, die ihm bis zum Bauchnabel reichten: grau und ausgefranst und licht. "Davon hast du mir nie etwas erzählt", flüsterte er bedrohlich leise, während er sich langsam wieder in den weichen Sessel zurücklehnte. Grübelnd ließ er die faltigen Hände über seine Nasenwurzel gleiten. Schließlich, nach einem Moment des Schweigens, in dem beide sich in die Augen blickten, seufzte Splida erleichtert auf. "Nun hast du`s ja gesagt. Auch wenn ich deine Einwände nicht teilen kann. Schwamm drüber. Mein..., nein unser, Taucher ist fertig und wir können mit dem ersten Probedurchlauf beginnen. Alles wird wie am Schnürchen laufen. Und wir werden zu jederzeit und überall in der Geschichte dieses Universums sein können. Stell dir nur vor, wir begegnen unseren Urgroßeltern, oder beugen den Raum bis an die Grenze des sichtbaren Lichtes." Er lachte. Haldeman senkte verlegen den Kopf, um nicht noch einmal in Splidas Augen schauen zu müssen. "Ich hätte schon viel früher mit dir darüber reden sollen. Ach, es ging alles so schnell und nun ist das verflixte Ding fertig und ich habe ein mieses Gefühl in der Magengegend", jammerte er.

"Es geht los. Das ist alles was zählt. Vertrau mir, ich habe alles im Griff!" Splida hob die geballte Faust dem alten Freund entgegen, schließlich stilisierte er mit Zeige – und Mittelfinger das Victoryzeichen, bevor er mit einem wuchtigen Schlag, der Haldeman völlig überraschte, auf einen kleinen roten Knopf hieb, der einladend vor ihm blinkte.

*

Als Haldeman sich vom ersten Schreck erholte hatte, blickte er nach oben durch die transparente Panzerplastkuppel des kleinen Labors. Überall sah er Röhrenstrukturen, winzig kleine Konstrukte, die mäandernd wahllos kreuz und quer verliefen, um, für einen entfernt stehenden Betrachter, in einer haushohen Würfelkonstrukion aufzugehen. Je lauter das Dröhnen der Meiler anschwoll, desto stärker begannen die Röhren von Innen heraus in mattem Blau zu leuchten. Zunächst die Röhren, welche eng an die Hülle des Labors montiert worden waren, es quasi eng umschlungen festhielten, so dass es für die Insassen des Dimensionstauchers kein Entrinnen mehr gab. Dann pulsierten auch die peripheren Windungen in jenem unwirklich wirkenden, transparenten Blauton, den das menschliche Auge dem höherdimensionalen Energieniveau zuschrieb, wobei niemand wirklich wusste, ob Mattblau tatsächlich die Farbe des Hyperraums war.

Haldeman fröstelte. Er las die rasch steigenden Verbrauchswerte in den Holoanzeigen der beiden Meiler ab, deren Materie – Antimateriebalance immer weiter beansprucht wurde, je mehr Energie sie für das hungrige Monster aufbringen mussten.

Splida hatte ihn überrascht. Er zuckte nur reflexartig wenige Millimeter aus seinem Kontursessel nach vorne. Noch bevor er eine Chance gehabt hätte, Splida daran zu hindern, den Hauptschalter zu aktivieren, war Splidas Hand schon auf den roten Knopf niedergegangen. Nun gab es in der Tat kein zurück mehr: Die Maschine lief an.

Haldeman erschrak als er in Splidas verzerrte Maske sah, die mit einem menschlichen Gesicht nicht mehr viel gemein hatte: eine abscheuliche Grimasse; vom Wahnsinn gezeichnet, der wie ein wucherndes Geschwür nun ungeniert ausbrach. Er konnte nicht fassen, was um ihn herum geschah: viel zulange war er blind gewesen.

"Verdammt, Splida. Wir hätten noch einige Tests durchführen müssen. Was ist mit den Sonnenzapfern? Niemand weis, wie sie auf das fremde Kontinuum reagieren werden", sagte er in deprimierender Hilflosigkeit.

Splida dagegen war sich selbst genug. Er war viel zu beschäftigt, um noch auf den alten Freund hören zu können – hören zu wollen, wie es schien. Statt dessen hantierte er wie wild an den bunt blitzenden Sensorflächen herum, mit deren Hilfe er den Dimensionstaucher steuerte.

"Splida, so warte doch! " Haldeman wollte nicht kampflos aufgeben. Er schalt sich selbst einen Narren, warum er nicht schon viel früher die Arbeit Splidas sabotiert hatte, als es noch die Gelegenheit dazu gegeben hätte. Die Bande der Freundschaft waren wohl zu stark gewesen; Loyalität wurde zur unüberwindbaren Hürde für ihn. Aber noch gab es eine allerletzte Chance das drohende Unheil abzuwenden. Er fuhr nach vorne, um an den Notstopschalter zu gelangen, der in der Mitte der Hauptkonsole angebracht war, woraufhin die Meiler der Kraftwerke abgeschaltet werden konnten, noch bevor der Sonnenzapfer genug Energie besaß, den Taucher mit Hyperdimquanten zu füttern, die ihn in ein Feld übergeordneter Singularität stürzen sollten.

Aber statt dessen stieß er hart gegen eine unsichtbare Wand. Er fühlte den ziehenden Schmerz in den Handgelenken als sie die spontan wirkende Kraft unwillkürlich auffangen mussten, so dass sie nach hinten umgebogen wurden. Er schrie, während er schwindelnd in seinen Kontursessel zurückfiel, wobei er die lädierten Hände gegeneinander rieb, was den Schmerz allmählich abklingen ließ. "Verdammt, Splida. Bist du verrückt geworden?", fuhr er ihn gequält an. "Warum hast du das Prallfeld aktiviert? Wir sind noch gar nicht in der Phase wo dies nötig gewesen wäre."

Splida würdigte ihn keines Blickes. Stattdessen verzog er verächtlich die Mundwinkel zu einem verunglückten Grinsen. Dann riss er den Hauptleistungshebel auf maximalen Anschlag, womit er die in Bereitschaft stehenden Sonnenzapfer aktivierte, die Sols hyperenergetisches Energiepotential in die Röhrenfelder des Tauchers einfließen ließen – so wie eine geöffnete Schleuse den Wassermassen eines Flusses auf ein niedrigeres Höhenniveau verhalf.

Das Donnern wurde schlagartig übermächtig in der kleinen Steuerzentrale des Dimensionstauchers. Es schien Haldeman in den Sitz drücken zu wollen. Doch als er versuchte, sich nach vorne zu beugen, um wenigstens an die eigenen Konsolen zu gelangen, stellte er fest, dass eine unsichtbare Last ihm jede Bewegung unmöglich machte. Er bäumte sich dagegen auf – gegen das, was keineswegs mit dem Donner zusammenhing, sondern vielmehr von einem zusätzlichen Prallschirm stammte, der ihn an den Kontursessel klammerte und dessen Würgegriff immer weiter zunahm, je mehr er sich dagegen wehrte.

"Lass es, alter Freund", sagte Splida lakonisch. Endlich drehte er sich zur Seite. Er schüttelte mit enttäuscht dreinblickender Miene den Kopf.

Haldeman war, als würde ihm jemand das Herz aus der Brust reißen. Dieser Mensch – oder besser gesagt, dieser menschgewordene Alptraum – hatte nichts mehr mit seinem alten Freund Splida gemeinsam, mit dem er auf der Stardust – Universität in Europolis studiert hatte; mit dem er jahrzehntelang zusammen geforscht, entdeckt und entwickelt hatte. Nein. Das Wesen, welches neben ihm saß, war nicht mehr Splida, das geniale Hyperraumgenie vergangener Tage; sein alter Freund, mit dem er Nächtens um die Hauser gezogen war, von einer Kneipe in die Nächste, bis die Sonne wieder hoch am Himmel stand und ihre Köpfe im Nebel des Alkohols versanken.

"Was ist nur los mit dir, mein Freund? Ich erkenne dich nicht wieder...", sagte er mit hohler Stimme.

Doch Splida wischte nur mit einer abfälligen Handbewegung beiseite, was sie früher einmal verband. Er kicherte wie ein schalkbewehrter Schimpanse im Außengehege des Tierparks von Europolis – schleimige Flüssigkeit rann ihm aus den zitternden Mundwinkeln, bevor er selbstgefällig die Arme vor der massigen Brust verschränkte. "Du hast nie begriffen, mein Alter, worum es hier eigentlich geht. Es war dir immer schon unheimlich, an den Grundfesten unseres Kosmos zu rütteln – mehr darüber zu erfahren, was Raum ist, wann die Zeit begonnen hat und wann sie endet. Hat Gott all das geschaffen, oder ist alles nur Zwangsläufigkeit der Evolution? Kennst du die Antworten? Nein, an der letzten Grenze erstarrst du vor Ehrfurcht! Ich aber gehe diesen letzten Schritt der Wissenschaft." Seine klirrende Stimme überschlug sich.

Haldeman schüttelte den Kopf. "Darum geht es doch gar nicht. Schau auf die Datenholos. Benutze deinen wissenschaftlichen Verstand, dann erkennst auch du den Fehler."

"Du bist doch nur eifersüchtig auf mich", brauste Splida auf.

"Du gönnst mir nichts, alter Mann. So war es doch schon immer. Schon damals an der Uni warst du neidisch auf mich, den Jüngeren, der Kurs um Kurs überspringen konnte, während du dir mühsam alles erarbeiten musstest. Jetzt willst du mir nehmen, was ich geschaffen habe. Aber das wird dir nicht gelingen. Diesmal nicht." Auch wenn Splida sich immer weiter aufregte, was ihn zunehmend unberechenbarer werden ließ, so verlor er dafür deutlich an Überblick. Haldeman musste versuchen dies für sich auszunutzen. Nur so konnte er den offensichtlich Übergeschnappten austricksen und den Taucher deaktivieren, bevor er in das kritische Arbeitsstadium eintrat und womöglich das halbe Universum in einem Schlund ungebändigter Dimensionstrichter verschlang. Die angezeigten Messwerte ließen für ihn keine Zweifel mehr übrig: Er war nun fest davon überzeugt, dass Splida sich von Anfang an geirrt, und er selbst Recht gehabt hatte, als es darum ging, die interdimensionale Kausalität in ein vernünftiges Verhältnis zur gängigen Hyperphysik zu stellen. Der Ansatz des Genies war zwar nicht gänzlich falsch gewesen, aber ein fataler mathematischer Fehler war in der Konstruktion manifestiert worden. Er glaubte daran, dass dadurch - sollte der Dimensionstaucher tatsächlich die Brücke zwischen allen bekannten Dimensionen schlagen können - zuviel Hyperbarie in das Einstein – Universum geschleudert wurde, womit eine Raum – Zeitfalte entstehen musste, die immer stärker werdend, jegliche Materie aufsog, um sie in den Hyperraum zu schleudern. So entstand quasi ein mulitdimensionaler Staubsauger.

Splida verhöhnte ihn für seine Zweifel; sogar jetzt noch, wo die Eskalation der Spitze entgegensteuerte: "Wenn es nach dir gegangen wäre, würde die Menschheit immer noch mit Raketen im Solssystem herumkriechen. Die Schwarzschild – Technologie für den Überlichtflug durch die Milchstraße wäre nie erfunden worden, hätte es solche Furchtschisser wie dich damals an den entscheidenden Stellen gegeben." Das plötzlich einsetzende hysterische Gekreische wurde etwas abgeschwächt, bis es Haldemans Ohren erreichen konnte. Schließlich schränkte der Prallschirm um ihn herum nicht nur seine Bewegung ein, sondern beeinträchtigte auch die Intensität von Schallwellen. Wenigstens etwas, dachte er, während er verzweifelt an einer passenden Strategie tüftelte, den Irren dazu zu bringen, den Prallschirm abzuschalten. Die Anzeige des Countdowns bis zum Eintritt in die entscheidende Phase schritt gnadenlos voran: noch 65 Sekunden, dann war alles aus.

Er schwitzte. Es stank. Splida schwitzte auch, aber anders als er... Da..., die Erleuchtung: "Hey, alter Freund. Erinnerst du dich noch an Astrid?", polterte er los. Noch 60 Sekunden... der Countdown lief... Splida wollte gerade eine weitere Schaltung vornehmen, als er mitten in der Bewegung verharrte, seine Fratze in der Kälte eisiger Erinnerung einfror. "Was sagst du da?", kam es leise über seine Lippen.

Haldeman spürte wie er noch weiter von den Prallfeldern in den Kontursessel gedrückt wurde, eine eiserne Schlinge schnürte ihm den Hals zu; er bekam kaum noch Luft. "Na Astrid...", jaulte er kläglich wie ein getretener Hund. "Deine Assistentin, damals auf der Ganymed – Station. Du weißt schon, die charmante brünette Schlampe mit den großen Dingern vorne dran..."

Splida fuhr hoch wie von der Alurus – Spinne gestochen. "Sprich nicht so von ihr. Das hat sie nicht verdient. Vor allem nicht aus deinem Mund: Von einem, dem ihr Schicksal gleichgültig war, der sie nur benutzt hat, um mich lächerlich zu machen." Er wollte sich auf ihn stürzen; blanker Hass stand ihm plötzlich ins Gesicht geschrieben. Aber das Prallfeld verhinderte auch von Splidas Seite ein Durchkommen zum zweiten Kontrollpult des Tauchers, an dem Haldeman gefangen saß. Fluchend hielt er sich die gestauchte Hand, während er sie mit der anderen vorsichtig massierte.

Haldeman schmunzelte übertrieben. "Jetzt stell dich nicht so an, Herzensbrecher. Schließlich warst du es doch, der sie in den Transmitter getrieben hat, noch bevor sie euer Techtelmechtel an die Öffentlichkeit tratschen konnte. Es war ihre Idee dich zu erpressen, nicht meine. Pech nur, dass dein Versuchsmodell ihren süßen Traumkörper in den Hyperraum geblasen hat. Du hättest dir lieber von ihr einen bla..."

"Halt endlich dein verdorbenes, ungehobeltes Schandmaul, Haldeman. Du hast doch keine Ahnung, was damals wirklich geschah...", schrie Splida, hieb auf einen unscheinbaren Schalter vor ihm, der das Prallfeld zusammenbrechen ließ, während er nach vorne schnellte, um schließlich Haldeman am Kragen zu packen.

Noch 30 Sekunden...

Dabei verlor er jedoch das Gleichgewicht, denn Haldeman erahnte sofort, was Splida vorhatte, und warf sich im selben Moment schräg nach vorne zur Seite, bereits den Hauptnotschalter für die Sofortabschaltung des Dimensionstauchers im Visier. So hing Splidas Körpermasse wie ein schlaffer Sack am Hageren, klemmte ihn zwischen sich selbst, der Konsole und dem Kontursessel ein, und drückte ihn dadurch wieder ein Stück zurück. "Kompliment. Jetzt weis ich was du vor hast...", keuchte Splida, der Mühe hatte, mit den feuchten Händen irgendwo halt zu finden. "Das schaffst du nie... Niemals. Der Taucher wird seine Arbeit aufnehmen. Du wirst das nicht mehr verhindern können!" Er stieß eine Reihe gurgelnder Schreie aus.

Doch da gelang es Haldeman, den Kontrahenten leicht auf die Seite zu drücken, so dass er einen seiner Arme frei bekam. Er griff nach dem tragbaren Modularjustierer im Gürtel seines Kontrahenten, zog ihn heraus, holte mit aller ihm noch verbliebenen Kraft aus, um das kantige Gerät ohne zu überlegen auf Splidas Schädel niederzuschlagen. Es gab ein hässliches Geräusch als der Kunststoff brach – ebenso wie die Schädelknochen Splidas. Guter Gott, was stellte er da an? Blut spritzte in sein Gesicht, danach fiel die schwere Masse von ihm ab, bevor sie leblos zu Boden sank.

Noch 10 Sekunden...

Haldeman schrie und schlug auf den Hauptnotschalter für die Sofortabschaltung.

Noch 5 Sekunden... die Maschine lief weiter.

"Verdammt. Dieser selbstherrliche Wahnsinnige", schrie er, weinte und brüllte all das Entsetzen und die Panik aus sich heraus, als er nach unten sank und die Kabel sah, die an der Unterseite der Konsole vom Schalter entlang verliefen: Sie hingen mäandernd in der Luft – aus der ursprünglichen Leitung herausgerissen schlugen sie kleine Funken.

*

Die Sonne spuckte, für die Menschen unsichtbar, einen gewaltigen Schwall an n – dimensionalen Teilchen in den Dimensionstaucher, ganz so, wie Splida es vorhergesagt hatte. Gleichzeitig pulsten die Röhren des Dimensionstauchers immer stärker, nahmen die Welle der Teilchen anderer Kontinua bereitwillig auf, ganz so, wie Splida es vorhergesagt hatte.

Doch nur wenige Augenblicke später, öffnete sich ein Tor aus hyperdimensionaler Energie, größer als das Sonnensystem, und schaffte einen Übergang ins absolute Nichts zwischen den Dimensionen. Nacheinander wurden alle Planeten des Solsystem von ihm verschlungen und ganz am Schluss die Kontinente der Erde, bis nur noch ein kleines Fleckchen Europolis übrig blieb, auf dem das Labor mit dem Dimensionstaucher stand. Ganz so, wie Haldeman es befürchtet hatte.

ENDE

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