An jedem Kiosk prangten uns unbekleidete Frauenkörper
entgegen, in Film- und Fernsehen hatte man die allgemeine Prüderie
zum Teil drastisch reduziert, es gab Leute, die waren tatsächlich
fähig, über sexuelle Belange zu reden und, aber das war bei
Weitem das Wichtigste, die Zahl der Vergewaltigungen hatte
abgenommen!
Mein Tonbandgerät,
Spulenbandmaschine AKAI GX-63O D, drehte unentwegt seine Spulen,
während aus den Boxen dezent, aber gut hörbar, Melancholy
man von Moody Blues auf mich eindrang.
Ich war der Erste.
Kunststück, ich wohnte ja auch hier.
Ich machte mir
Gedanken, wer alles kommen würde und ob einige unbekannte
Gesichter dabeisein würden. Eigentlich musste Ralf der erste
sein, eigentlich hätte er schon längst dasein müssen.
Hatte er auch alle Leute informiert, dass sein Geburtstag bei mir
gefeiert würde?
Nicht mein Problem!
Ich überzeugte
mich davon, dass das Band mit der aktuellen Musik bereitlag, die
Ralfs Gäste wohl hören wollten und überlegte noch, ob
ich sicherheitshalber den Plattenspieler lahmlegen sollte, um somit
zu verhindern, dass Platten durch unvorsichtige Benutzung zerkratzt
werden würden, ganz zu schweigen, was Beschädigungen des
Moving-Coll-Systems anging. Ich war mit Sicherheit nicht pingelig,
aber wenn man bedachte, wie schnell man im angetrunkenen Zustand eine
Schallplatte ruinieren konnte, so glaube ich waren meine Bedenken
berechtigt.
Ich mixte mir einen Pernot-Cola und ging auf den
Balkon.
Eigentlich hielt ich mich für cool, konnte aber doch
nicht leugnen, in einem gewissen Maße nervös zu sein, aus
welchem Grunde auch immer. Vielleicht hatte es etwas mit meinen Soll-
Muss-und Kann-Erwartenshaltungen zu tun.
Ich musste grinsen,
meine Vergangenheit, im Rahmen von Soziologie, Psychologie und
Pädagogik, konnte ich wohl nicht ablegen, wollte ich auch nicht.
Allerdings war ich zu der Erkenntnis gekommen, dass ich die
Psychologie nicht mehr brauchte, weil sich meine Persönlichkeit
so weit gefestigt hatte, dass ich auf keine Jugendsekten und
Gurugemeinschaften mehr
hereinfallen konnte,
ganz zu schweigen von den etablierten Institutionen zur
Volksverdummung, den Kirchen des Christentums.
Ich brauchte mich
nicht mehr selbst zu psychologisieren, ich brauchte aber auch keine
Psychologie mehr, um andere Menschen und die diversen Gründe für
ihr Handeln verstehen und beurteilen zu können. Bei mir hatte
sich der Grund, Psychologie und Sozialwissenschaften zu studieren
erübrigt.
Ich war frei. Ich hatte mich gerade
dazu durchgerungen, den Tonarm vom Plattenspieler zu entfernen, um
ihn im hintersten Winkel eines Schrankes zu verbergen, als es an der
Tür läutete. Man konnte am unterschiedlichen Ton erkennen,
ob es an der Korridortür oder unten an der Haustür läutete,
wobei für den letzteren Fall noch eine Gegensprechanlage zur
Verfügung stand.
Ich nahm noch einen Schluck Pernot-Cola zu
mir, um mich dann auf den Weg zu machen, um die Tür zu öffnen.
Jutta und Gregor standen vor der Tür.
Jutta lachte,
während Gregor sich an mir vorbeischob.
"Wir sind
sicher die ersten!"
"Richtig Jutta, aber gerade darum
werdet ihr es vielleicht auch bis zum Schluss aushalten, du weißt
ja, die letzten werden die ersten sein!"
"Demnach
wärest du dazu verurteilt, noch länger zu bleiben als wir,
was dir eventuell
schwer fallen könnte,
wenn man an den katastrophalen Zustand denkt, den dein Appartement in
den nächsten Stunden annehmen wird."
Das war schon die
zweite negative Prognose in den letzten vierundzwanzig Stunden
bezüglich des späteren Zustandes meines Appartements.
"Du
weißt doch, Jutta, dass Klaus nicht nein sagen kann!"
"Ich habe sicher meine Gründe, so etwas für Ralf
zu tun!"
"Was gibt's denn so zu trinken?"
"Da
musst du dich schon selbst bedienen und Jutta kannst du auch sofort
versorgen!"
Jutta lachte mich an.
"Ich hätte
gedacht, Ralf wäre schon da."
"Ja, ich verstehe
auch nicht, warum er noch nicht hier ist, normalerweise hätte
ich angenommen, dass er schon einige Stunden vorher gekommen wäre,
aber vielleicht ist ihm etwas dazwischen gekommen, oder er ist
eingeschlafen!"
"Eingeschlafen! Dem werde ich helfen!"
Mit dem Glas in der Hand verließ Gregor mein Appartement.
Ich musste lachen, als hätte jemand einen ungeheuer guten
Witz zum Besten gegeben.
"Klaus!"
Jutta stieß
mich an.
"Was hast du? Willst du mir nicht auch Gelegenheit
geben, so zu lachen?"
"Doch, aber ich muss erst `mal
wieder richtig zu Atem kommen.
Kennst du die Scheibe Terra
Titanic von Peter Schilling?
Da kommt eine Stelle vor, die sich
auf den Kapitän der Titanic bezieht, der völlig bedenkenlos
viel zu schnell fahren ließ.
Ich versuchte zu singen.
"Souverän, füllt der Kapitän das
Whiskyglas in der Hand bis zum Rand!" Ich begann wieder
zu lachen und Jutta bezog die Sache mit dem Glas nun auf Gregor, der
ja eine natürliche Führernatur war und fiel in mein
Gelächter ein.
"Die Ratten verlassen das sinkende
Schiff, doch der Käpt'n im Smoking beachtet sie nicht, mit dem
Glas in der Hand und die Flut löscht das Licht!"
"Meinst
du mit den Ratten mich, bezogen auf Gregors Lebenswandel? Da muss ich
dich enttäuschen, ich kann ihn nicht verlassen, ich hänge
zu sehr an ihm, ich brauche ihn, ob du es glaubst oder nicht. Das ist
sicher schwer zu verstehen, aber so und nicht anders ist es!"
"Doch, ich verstehe!"
Ich ging zu Plattenspieler um
die Scheibe von Peter Schilling aufzulegen, denn er konnte sicher
besser singen als ich.
"Warum kommt Gregor eigentlich immer
zu dir zurück, Jutta?"
"Ich weiß es nicht,
vielleicht weiß er, dass er meiner sicher sein kann, oder er
empfindet irgend etwas für mich."
"Bumst du denn
oft genug mit ihm?"
"Sicher, so oft er will, dass kann
es nicht sein!"
"Vielleicht doch, denn es kommt nicht
nur auf die Häufigkeit des Bumsens an, sondern auf die Resonanz
des jeweiligen Bumspartners, also auf deine Resonanz kommt es an,
dass kann sogar bis zur dargestellten Ekstase führen. Je stärker
deine Resonanz, desto mehr Mühe wird sich Gregor geben und desto
weniger wird er auf die Suche gehen!"
Sofort musste ich,
mitteilsam wie ich war, meine neu gewonnenen Erkenntnisse verbreiten,
obwohl es nicht richtig sein konnte, ein solches Wissen einer
größeren Öffentlichkeit zu präsentieren, weil...
"Auf welche Suche?"
"Wahrscheinlich auf die
Suche nach der absoluten sexuellen Erfüllung! Ingrid, nein, du
kennst Ingrid nicht, jedenfalls hält sie das einträchtige
Bumsen für die absolute Kommunikation und ich muss mich ihrer
Meinung anschließen!"
"Aber ich kann doch nicht
von einem Tag zum anderen zur Schauspielerin werden, im Bett!"
Wie konnte solch bahnbrechende Erkenntnisse so profan abtun?
Irgendwie schien nicht begreifen zu
wollen,
um was es hier wirklich ging.
"Warum nicht, wenn es nur für
eine kurze Zeit ist? Vielleicht wird Gregor dann ganz anders zu dir
sein und du wirst nach einiger Zeit nicht mehr die Ekstase spielen
müssen. Außerdem sollst du nicht von einem Tag zum anderen
einen anderen Menschen spielen, sondern nur deine Begeisterung beim
Bumsen steigern, kontinuierlich steigern, was zwangsläufig dazu
führt, dass Gregor sich mehr Mühe geben wird, was dir
wieder zugute kommt. Ein umgekehrter Circulus vitiosus!"
"Ich
weiß nicht!"
"Doch, eine Frau hat beim Bumsen die
absolute Macht über den Mann. Ich bin der Meinung, dass eine
Frau wirklich und immer alles machen kann, was sie will und dass sie
immer und zu jeder Zeit das sexuelle Empfinden des Mannes steuern
kann. Wenn du dezent stöhnst, ohne einen Grund dafür zu
haben, wird Gregor sich mehr Mühe geben und wenn er gerade etwas
tut, was dir gefällt, brauchst du nur deine Geräusche
vernehmlich zu steigern, wenn er etwas tut, was dir nicht so gut
gefällt, wirst du eben leiser und wenn du merkst, dass er bald
spritzen wird, musst du ihn festhalten, dass er sich nicht
weiterbewegen kann. Du hast die Macht in der Nacht!"
"Das
hört sich alles so einfach an, wenn du das sagst!"
"Ist
es auch, du kannst es ja `mal mit Ralf ausprobieren, vielleicht fällt
es dir leichter bei einem Mann, dessen Reaktionen du genauer
beobachten musst, du kannst ja üben!"
"Ich übe
lieber mit dir!"
Bevor ich dazu etwas sagen konnte, wurde an
der Wohnungstür
Sturm geklingelt.
"Das kann nur
Gregor sein!"
Ich öffnete die Tür.
Gregor
schob Ralf vor sich her.
"Ich war eingeschlafen! Hoffentlich
bleibe ich heute Abend lange genug fit!"
"Hoffentlich!"
Stimmte ihm Jutta zu und an mich gewandt.
"Circulus
vitiosus?"
Ich musste lachen.
Gregor, der noch in der
Tür stand, drehte sich um.
"Hereinspaziert, ihr kommt
gerade richtig!"
Der Sturm auf meine Bude begann.
Die
meisten Leute, die innerhalb der nächsten halben Stunde
hereingeschneit kamen, kannte ich nicht, es waren Ralfs Gäste.
Trotzdem gibt es so einige Leute, die ich aus den verschiedensten
Gründen erwähnen muss, weil sie bereits vorgekommen sind,
oder noch vorkommen werden, in dieser Geschichte.
Ulrike kam und,
was mich erstaunte, sie hatte ihren Thomas mitgebracht.
'Denn er
ist Bundeswehrsoldat, ein toller Typ und hat sein Vaterland...'
Mit
diesem Thomas habe ich keine zwei Worte gewechselt, wozu auch?
Hätte
ich ihm sagen sollen, dass ich seiner Ulrike einige wichtige
Erkenntnisse über die weibliche Sexualität verdankte?
Ulrike benahm sich wie immer, nur hatte ich manchmal den
Eindruck... aber ich konnte mich auch irren.
Na ja die
Einbildung!
Irgendwie war ich nicht gut drauf, was solche
Kollektivbesäufnisse betraf, aber ich wollte mich auch nicht
einfach so verdrücken, weil ich doch ein wenig auf meine
Wertgegenstände aufpassen wollte oder musste.
Ich stellte
mir die Frage, welche dieser Leute meine Freunde und Bekannten wären,
wenn sie nicht Ralfs Freunde und Bekannten wären.
Blöde
Frage!
Konnte aber nicht am Alkohol liegen!
Das regelmäßige
öffnen der Tür überließ ich Ralf, denn was
sollten die Menschen mit mir anfangen, das heißt, die Geschenke
hätte ich auch entgegennehmen können.
Gegen neun, die
Fete kam so langsam auf Touren, die Leute begannen ihre Hemmungen
abzulegen, vier Gläser waren zu Bruch gegangen, aber die
gehörten sowieso Ralf, stand ich auf dem Balkon und schüttete
Bier auf die Blumen, als ich einen Geruch wahrnahm, den ich mit einer
bestimmten Frau in Verbindung brachte.
"Ingrid, ich dachte,
du wärest in Frankfurt!"
"Du alter
Geruchsfetischist! Du gehörst zu den wenigen Leuten, die trotz
des gleichen Parfums riechen können, um welche Frau es sich
handelt!"
"Aber nur, wenn es sich um dich handelt!"
Ich drehte mich um.
"Du hast dich verändert..."
"Seit unserer letzten
absoluten Kommunikation!"
Ihre Stimme bekam einen erotischen Klang.
"Du bist eine
Meisterin der Zunge!"
Womit ich die verbale Kommunikation
meinte.
Sie lachte und öffnete meinen Reißverschluss.
"Du bist der einzige Mann, den ich kenne, mit dem man immer
dann bumsen kann, wenn man bumsen will!"
"Du kannst ja
auch bumsen, wenn du willst!"
Sie hatte ihn gefunden.
"Ich
will auch bumsen, jetzt!"
"Jetzt, sofort?"
"Meinst du, ich würde aus Frankfurt kommen, um Ralfs
Geburtstag zu feiern?"
"Warum nicht?"
"Warum
nicht auch?"
"Warum nicht auch?"
"Siehst
du, dein kleiner Freund will auch!"
Auf dem Balkon war es
dunkel.
"Der fühlt sich in der Dunkelheit sicher!"
"Im Pool!"
Sie drehte sich um und ging.
Ich
verpackte meinen Penis wieder und wartete einige Minuten.
Im Pool
würden wir wirklich ungestört sein, die meisten Leute waren
ja in meinem Appartement.
Niemandem schien aufzufallen, dass ich
das Getümmel verließ und dabei nicht vergaß, zwei
Handtücher mitzunehmen.
Ich nahm die Treppe und hörte
bis in den Keller den Krach von Ralfs Fete. Die Umkleideräume
waren alle dunkel, ich konnte allerdings erkennen, dass ein
flackernder Schimmer über die Wellen der Wasserfläche
irrte.
Ich entkleidete mich und ging langsam auf das Wasser zu.
Die Halle war dunkel, der Schimmer auf dem Wasser stammte von den
vier Scheinwerfern, die unter der Wasserfläche angebracht waren
und so oft defekt waren. Ingrid hatte den Schalter gefunden und alle
vier Scheinwerfer waren intakt.
Ich fand sie, auf dem Wasser
liegend, ihr Körper wurde von den Wellen und den Lichtstrahlen
des unter ihr befindlichen Scheinwerfers umspielt.
Die Bewegung
des Wassers zeigte mir ein Zerrbild Ingrids das ständig
wechselte.
Schnell hatte ich mich entkleidet und meine Sachen in
der Nähe von Ingrids Kleidung abgelegt.
Ich ließ mich
ins Wasser gleiten und schwamm auf sie zu. Das Wasser war angenehm
warm.
Ingrid lag auf dem Rücken, hatte die Arme ausgebreitet
und hielt sich mit den Händen am Beckenrand fest.
Sie
streckte mir die Beine entgegen.
Ich schwamm genau auf sie zu.
Wir küssten uns, wie bei einem ersten Mal.
Eine halbe
Stunde später sagte sie zu mir.
"Es kommt mir so vor,
als wenn du ziemlich lange enthaltsam gelebt hättest, hast du
noch nicht einmal Zeit gehabt!?"
"Wieso?"
Brachte
ich hervor.
Sie lachte nur und winkte ab.
Sie legte sich auf
mich und rieb ihren Körper an meinem.
"Eines ist
jedenfalls sicher Ingrid, wenn ich es mit dir getrieben habe, kann
ich danach eine sehr lange Zeit enthaltsam leben!"
"Oh,
ich hatte eigentlich vor, wieder mit dir auf die Fete zu gehen und
vielleicht noch 'mal auf dem Balkon..."
Sie machte eine
eindeutige Bewegung mit ihrer Zunge in der Wange.
Bei mir regte
sich nichts, nicht so kurz danach!
"Ich dachte, du hättest
diese Geschichten nicht für realistisch gehalten, wie sie über
Marlene Dietrich und Jerry Hall erzählt werden!?"
Sie
lachte kurz auf.
"Ich bin diesbezüglich auch eine
Genießerin, ich genieße diese Macht über die Lust,
wenn du verstehst was ich meine. In Frankfurt kenne ich noch keinen,
bei dem ich mich 'mal so richtig gehen lassen könnte!? Du kannst
dir so etwas wahrscheinlich nicht vorstellen, weil du bei sexuellen
Handlungen immer der körperlich überlegene bleibst, es sei
denn, man würde dich ans Bettgestell fesseln. Fühlen zu
können, wie er unter deinem Wirken zu einem
zuckenden
willenlosen Etwas wird und wenn du aufhörst, was dann, dann
stürzt er sich vergewaltigenderweise auf dich!"
"Und
was ist, wenn ich mich während deiner Abwesenheit meine Meinung
bezüglich der menschlichen Vermehrung geändert habe?"
Sie lachte.
"Du? Du würdest deine nicht ändern,
nicht so schnell und so radikal, das glaube ich nicht, du würdest
nie mit einer Frau ins Bett gehen, von der du nicht ganz genau weißt,
dass sie die Pille oder ein IUP benutzt! Dir traue ich sogar zu,
notfalls einen Pariser zu benutzen, wenn du dir nicht sicher wärest."
"Du hast recht, so gründlich kann man seine Meinung
nicht in wenigen Monaten ändern. - Aber auch das ist nicht
sicher!"
Sie dachte nach.
"Du kennst meine
Bumsphilosophie! Doch habe ich in der letzten Zeit erhebliche
Abstriche machen müssen. Ich habe mich in Frankfurt mit keinem
Mann ins Bett getraut. Ich habe es immer nur selbst gemacht oder bin
mit Frauen, aber äußerst selten, in die Kiste gestiegen,
bei denen ich sicher sein konnte, dass sie keinen Mann anrühren
würden, weil sie so lesbisch waren, dass sie noch nicht einmal
ein männliches Haustier akzeptiert hätten. Du bist übrigens
fast so gut wie eine Frau, aber andererseits besser, weil ich bei dir
psychisch besser mitspielen kann!"
"Ingrid, wir kennen
uns jetzt ja wohl schon eine halbe Ewigkeit, immerhin haben wir schon
früh angefangen, uns richtig kennenzulernen, aber wir würden
uns, glaube ich, nicht mehr so gut verstehen, wenn wir es so
regelmäßig zusammen treiben würden, wie es allgemein
üblich ist."
"Für mich ist es am Schönsten,
wenn ich mich beim Sex auch auf mich konzentrieren kann, ohne dabei
dauernd darauf achten zu müssen was dem anderen gefällt.
Ich glaube davon haben wir beide mehr! Oder?"
"Ich habe
vor einigen Tagen bei einer Frau übernachtet, weil Ralf mein
Appartement brauchte."
"Der Ärmste, wollte er mal
wieder über seinen Schatten springen?"
"Ja, in
seinem Appartement kann er ja nicht, weil er Angst hat, dass er dann
von Harald zu oft ausgesperrt werden könnte!"
"Harald
und Ralf! Immer noch das gleiche Spiel, vielleicht sollte ich ihnen
vorschlagen schwul zu werden!"
"Vielleicht!"
"Aber du wolltest mit was erzählen!"
"Ach
so, ja ist nicht so wichtig, mir ist gerade etwas wichtigeres
eingefallen!"
"Und das wäre?"
"Ich
wollte meinen Plattenspieler sabotieren, um zu verhindern, dass
irgend jemand im besoffenen Zustand etwas kaputt macht."
"Oh,
dann müssen wir schnell hoch und nachsehen, ob es nicht schon zu
spät ist! Vielleicht finden wir ja diese Nacht noch eine
Gelegenheit, vielleicht auf dem Balkon..."
Sie glitt von mir
herab und ins Wasser.
Ich folgte ihr.
Wir durchquerten den
Pool, um zu unseren Sachen zu gelangen.
Ingrid war dankbar, dass
ich keine Handtücher vergessen hatte.
"Du wirst es
nicht glauben, aber ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, hierher
zurückzukehren, obwohl Frankfurt mir wesentlich mehr gibt, Flair
und so, aber hier kenne ich mehr Leute und, ich kenne sie besser,
kannst du das verstehen?"
"Ja, hier glaubst du zu
wissen, mit wem du bumsen kannst, wenn du bumsen willst, ohne vorher
oder nachher viel Kommunikation betreiben zu müssen!"
"Stimmt, eigentlich will ich mit manchen Leuten nur Bumsen
und mit anderen nur reden!"
Sie reichte mir das nasse
Handtuch, drehte sich um und ging.
Ich folgte ihr und war
nachdenklich.
Nein, eine richtige Beziehung hatte ich mir schon
seit Jahren nicht mehr geleistet, aber nun - ich ertappte mich dabei,
wenn ich mit Frauen zusammen war, immer an eine andere zu denken, an
eine ganz bestimmte andere, was bei mir, so weit ich wusste, noch nie
vorher vorgekommen war. Eigentlich kam mir dieser besondere Umstand
erst auf dem Weg vom Pool zu meiner Bude so richtig zu Bewußtsein.
Ja, als ich bei Ulrike war hatte ich auch schon an sie gedacht, und
jetzt bei Ingrid war es trotz der außerordentlichen sexuellen
Stimulation auch nicht anders gewesen, dabei kannte ich noch nicht
einmal ihren Namen, wusste nur, dass sie in diesem Hause wohnte,
nicht womit sie sich ihr Geld beschaffte, wusste eigentlich nichts,
nur, dass ich zu oft an sie dachte.
Harald kam mir auf dem Flur
entgegengetorkelt. Er fiel mir um den Hals, weil er keine andere
Möglichkeit mehr hatte, auf den Beinen zu bleiben.
"Hier
- bis - du! - Kom - misch! Ma - Ma - Marone - Marine, Scheiße -
Marina, Ja Marina ha-ha-hat schon nach dir gefragt!"
"Marina?
Wer ist Marina?"
"Na, du hast sie doch eingeladen!
Toll, wie ich wieder reden kann Scheißallkohohol!"
Er
lachte, ließ mich los und torkelte weiter.
Vielleicht war
er gar nicht so besoffen, wie er tat?
Aber was für einen
Grund sollte er haben...
So, Marina! Ich hatte mir überhaupt
keine Gedanken über ihren Namen gemacht, sondern nur
registriert, dass ich ihn nicht kannte.
Marina hieß sie
also, gut.
Zügigen Schrittes ging ich weiter.
Marina,
Marina Marina, du bist ja die Schönste für mich! Ralfs
Fete hatte sich inzwischen von meinem Appartement auf den
angrenzenden Flur ausgedehnt, entsprechend laut hatte man die Musik
eingestellt. Ich hörte die Scheibe Santa Esmeralda von Leroy
Gomez aus meinen Boxen schallen.
Santa Esmerlda?
Santa
Esmeralda hatte ich neunzehnhundertsiebenundsiebzig gekauft.
Ich
beschleunigte meine Schritte.
Die Leute auf dem Flur ließen
mich nach einigem Widerstand in meine Bude, denn sie wollten wissen,
ob ich auch eingeladen war.
Im Flur, vor der Garderobe, es
handelte sich um den kleinen Korridor meines Appartements, gewahrte
ich Marina, deren Namen ich erst gerade von Harald erfahren hatte.
Sie sah auf, erkannte mich und lächelte.
Ich kämpfte
mich durch die umstehenden, um zu ihr zu gelangen.
"Du hast
ja gar nichts zu trinken! Was kann ich dir besorgen?"
"Was
kannst du mir empfehlen?"
"Alles, nur kein Bier!"
"Hast du Campari?"
"Was sonst? Mit O-Saft?"
Sie nickte.
Ich ging und mixte die Drinks.
Als ich mich
umdrehte, um mit den beiden Campari-Orange zu Marina zu gehen, stand
sie direkt hinter mir.
"Danke!"
"Bist du schon
lange hier?"
"Was heißt hier lange, ich dachte
ja, dich hier anzutreffen!"
"Jetzt hast du mich
getroffen. Sollen wir uns irgendwo in der Nähe des
Plattenspielers einen Platz zum Sitzen suchen?"
"Ich
habe übrigens den Plattenspieler bedient, ich dachte, es sei
besser, wenn ich es mache, als wenn ein Besoffener mit dem Tonarm
herumhobelt!"
"Danke, wahrscheinlich hast du das
Moving-Coll-System gerettet."
"Kann schon sein. Wo hast
du denn den Moving-Coll-Vorverstärker?"
"Der ist
im Hauptverstärker integriert, alle Verstärker in einem."
Sie nickte.
Wir setzten uns direkt vor dem Plattenspieler auf
den Boden, auf den pflegeleichten braunen Teppichboden.
"Das
sind aber ziemlich komische Leute, die du in deinem Apartement feiern
lässt, ich hatte dich eigentlich ganz anders eingeschätzt."
"Wieso anders?"
"Na, die Leute, die sich hier
vollaufen lassen passen gar nicht zu dir - aber es ist ja auch nicht
dein Geburtstag, sondern der von diesem Ralf! Trotzdem finde ich es
komisch, dass du solche Leute erträgst, die deine Bude
vollkotzen und deine Anlage rouinieren würden, wenn nicht einige
vernünftige dazwischen wären."
"Ach, so wild
sind diese Menschen ja wohl auch wieder nicht!"
"Sieh
`mal, der Blonde da hinten, der kaum noch aus den Augen sehen kann,
der ist von der Frau mit den kurzen Haaren total abgefüllt
worden, nur weil er, in seinem jugendlichen Leichtsinn gesagt hat, er
wäre gekommen um eine Frau zu - na du weist schon...
Da hat
sie sich auf ihn gestürzt und den Eindruck vermittelt,
sie
wollte, aber nur um ihn total abzufüllen. Vielleicht will
sie ihm später dann ihre Macht über Männer zeigen.
Vielleicht ist er dann nie mehr zu einem normalen Verhältnis zu
einer Frau fähig, kann ja alles möglich sein!"
"Die
Frau mit den kurzen Haaren ist Beate, sie glaubt wirklich, dass sie
Macht über alle Männer auszuüben im Stande ist, ich
meine rein sexuell betrachtet. Sie wackelt mit ihrem Hintern,
schlockert mit der Brust, und glaubt, auf diese Weise jeden Mann
rumzukriegen. Sie braucht das für ihr Selbstwertsystem.
Allerdings glaube ich, dass ich an ihrem extremen Verhalten nicht
ganz unschuldig bin, sie hat nämlich einmal in meiner Gegenwart
damit geprahlt, dass jede Frau, wenn sie wolle, jeden Mann
rumzukriegen vermöge. Und ich habe ihr widersprochen und
behauptet, dazu müsste erst einmal eine Erektion zustandekommen,
daher könnte man Männer ja auch nicht vergewaltigen.
Darufhin hat sie gesagt, dass ich Unsinn erzählen würde,
weil kein Mann auch nur den geringsten Einfluss
auf seine
Hydraulik habe. Das habe ich dann entschieden verneint. Was
glaubst du, was sie dann tat?"
"Keine Ahnung! Erzähl!"
"Sie hat zunächst `mal durch meine Hose an meinem Willi
gespielt und meinte, dadurch würde er schon hart. Als sie aber
bemerkte, dass sie unrecht hatte, hat sie ihn rausgeholt und
versucht, ihn hochzubringen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie
schwierig es war, gegen ihre Manipulationen anzukommen,
rein
willensmäßig, denn es waren auch einige Frauen im
Raum, die mir ausgesprochen gut gefielen, aber Beate gehörte
nicht dazu. Wenn wir gewettet hätten, wäre ich der Sieger
gewesen. Aber nun versucht Beate sich zu beweisen, dass ich eine
impotente Ausnahme bin."
"Und, bist du denn impotent?"
Diese Frage klang so ungemein unschuldig, dass ich nur
mit
einem knappen und klaren Nein antwortete, normalerweise, hätte
ich gesagt, sie solle die Probe aufs Exempel machen, aber darauf habe
ich verzichtet, ohne zu wissen warum.
Marina stieß mich an
und deutete offen in die Richtung, in der Beate mit dem blonden
Jüngling saß.
Ich folgte ihrem Finger und konnte
gerade noch erkennen, dass der blonde, raketengleich auf den Balkon
schoss, eine Hand vor den Mund haltend.
Manchmal verwunderten
mich meine Reaktionen, besonders was Geschwindigkeit anging.
Ich
schoss hinter ihm her und wollte verhindern, dass er über die
Brüstung abstürzte, denn das hatte er nicht verdient.
Doch
er stolperte über Gregors ausgestrecktes Bein und kotzte über
Ralfs Bauch, der sich gerade von Ingrid einen blasen ließ.
Jedenfalls bestand keine Gefahr mehr, dass er abstürzte, so
kehrte ich zu Marina zurück.
Santa Esmeralda war gerade zu
Ende gegangen und ich legte Sade auf, die mit Smooth Operator
beagann. Ich ließ das auf der Maschine befindliche Band
zurückspulen und suchte das obligatorische Fetenband heraus.
Marina stand neben mir und sah mir aufmerksam bei der Handhabung
des Tonbandgerätes zu.
"Das ist ja fast eine
Studiobandmaschine!"
"Richtig, nur die
Bandgeschwindigkeiten stimmen damit nicht überein."
Beate
kam näher und schob sich zwischen uns. Sie war nur geringfügig
angetrunken und noch voll und ganz Herr oder Dame ihrer Zunge.
"Stell dir vor, Klaus, der Bubi wollte mich unter den
vielbesagten Tisch saufen!"
"Warum misst du dich nicht
mit deinesgleichen? Der konnte sich doch wirklich nicht wehren!"
"Das musst du gerade sagen, du scheinst dich ja auch mit
diesem Kind hier abgeben zu wollen, der kannst du wohl alles
beibringen ohne dass sie weiß, wie es eigentlich richtig ist!"
Marina war erstaunt.
"Ach Beate, ich habe ganz
vergessen, dir meine älteste Tochter vorzustellen. Marina, das
ist Beate, eine alte Bekannte von
Seinerzeit."
Beate
drehte sich mit einem entschiedenen Schwung auf dem vielzitierten
Absatz um und ging.
"Tut mir leid Marina, aber du hast dich
eben so gut gehalten, dass man dich sehr jung einschätzen kann,
wogegen ich eben zumindest so alt aussehe, wie ich bin, vielleicht
auch älter."
"Was bildet die sich eigentlich ein?
Egal! Hast du gesehen, dass sie ihrem Jüngling auf den Balkon
gefolgt ist? Hast du auch gesehen, was die da auf dem Balkon gerade
machen?"
"Ja, aber der Bubi hat ihnen genau dahin
gekotzt, wo sie gerade besonders beschäftigt waren!"
Marina hatte sich fast verschluckt, so sehr musste sie lachen.
Irgendwie war sie an diesem Abend die einzige Person, die ich
wirklich wahrnahm.