Der Ischtar - Effekt
Auf der Suche nach Ischtar
Die Musik nahm an Lautstärke zu und die Leute
auf der Tanzfläche schienen nun vollends abzudrehen.
Der
Rhythmus versetzte auch die Frauen und Männer in Bewegung, die
sich zwischen den Tischen und an der Bar aufhielten.
Die Musik
war geeignet, einem auch noch den letzten Gedanken aus dem Gehirn zu
blasen, nur noch Platz zu lassen, für die klangvollen Rhythmen
und deren Umsetzung in Bewegung.
Bewegung!
Am Eingang war
eine Solche zu erkennen.
Konzentriert sah ich hin, wer da in
diese Diskothek kam, denn die Frauen, die bisher Anwesend waren
hätten mich schon nach einer halben Stunde dazu bewogen, nach
Hause zu fahren, wäre da nicht die Hoffnung gewesen, die
Frau würde möglicherweise doch noch kommen.
Sie
kam!
Das heißt, sie konnte es sein, oder sie hätte es
sein können.
Sie war nicht zu dick und nicht zu dünn,
was schon einmal wesentlich war. Ihre Haare waren lang und nicht
blond, was auch nicht zu verachten ist. Bekleidet war sie mit einer
engen Jeans, von der ich hoffte, sie bald von hinten sehen zu können.
Ja, sie ging auf die Tanzfläche zu und ich konnte ihren
Hintern sehen. Dieser Hintern war auch nicht zu verachten,
wohlgeformt, wahrscheinlich nicht zu hart und nicht zu weich.
Ihre
Bluse hatte sie unter den Brüsten zusammengeknotet, was den
Bauchnabel freiließ.
Wenn mich meine Augen nicht täuschten,
trug sie keinen BH, aber das würde ich erst mit Sicherheit
wissen, wenn sie nah genug gekommen war.
Sie drehte
tatsächlich bei!
Sie kam näher, kam auf die Bar zu.
Aber als sie aus der Nähe betrachten konnte, musste ich
leider feststellen, dass sie zu stark geschminkt war, jedenfalls zu
stark um...
Ich bestellte ein weiteres Kriminalwasser.
Neben meinem Platz an der Theke war noch ein Hocker frei.
Ich
würde noch eine halbe Stunde warten, nicht länger.
Von
meinem Platz aus konnte ich den Eingang gut im Auge behalten.
Die
Frau, die es gewesen sein konnte, hatte eine kurze Runde
gedreht und setzte sich nun auf den Hocker, der neben mir frei war.
Als die Bedienung mein Kriminalwasser brachte, bestellte sie
Ginger Ale.
Ihre Stimme klang eigentlich ganz gut, war allerdings
eine Nuance zu hoch.
Warum konnte sie es nicht sein?
War die
zu stark aufgetragene Schminke der einzige Hinderungsgrund?
Aber
wenn die äußere Erscheinung schon nicht stimmte?
Die
Stimme klang angenehm und man konnte darüber hinweg sehen, dass
sie etwas zu hoch war.
Die Musik wurde leiser.
"Nachdenklich?"
Ich sah zu ihr rüber und spielte dabei den Irritierten.
"Wie? Meinst du mich?"
Sie lachte gewinnend.
"Klar
meine ich dich, ist ja sonst keiner nah genug, der mich hören
könnte!"
"Ja, ich bin nachdenklich! Aber ich muss
es nicht bleiben!"
Ich drehte mich auf meinem Barhocker, um
mich ihr zuzuwenden.
Konnte ich es tatsächlich nicht
lassen, das einprogrammierte Balzgehabe abzufahren?
"Vielleicht
sollte ich den Denkprozess vorerst unterbrechen!"
"Vielleicht?
Sicher! Eigentlich ist so ziemlich alles andere besser wie
denken!"
Comperativ als...
Nein, sie konnte nicht
Ischtar sein, denn Ischtar beherrschte die deutsche Sprache, ja
musste sie beherrschen, auch wenn man bezüglich des Denkens
anderer Meinung sein konnte als ich; aber konnte Ischtar in einem so
wesentlichen Punkt mit mir geteilter Meinung sein?
Also setzte
ich mein gewinnendstes Lächeln auf.
"Tut mir leid Lady,
mein Taxi ist schon bestellt!"
Indem ich aufstand und einen
Zehnmarkschein unter meinen Bierdeckel schob, nickte ich ihr noch
einmal freundlich zu und begab mich zum nahe
gelegenen Parkplatz der Diskothek.
Auf dem Weg zu meinem
Wagen wurden die Klänge der Musik immer leiser.
Wie
hatte ich auch erwarten können, Ischtar in dieser Disko zu
finden.
Wo sollte ich weitersuchen?
Vielleicht in einer
Bibliothek?
Sicher nicht um diese Zeit!
Resigniert fuhr ich
nach Hause.
Nein, Resignation ist nicht die richtige Bezeichnung
für den Zustand, in dem ich mich befand, denn ich suchte Ischtar
ja schon seit einigen Jahren, ja ich hatte gar nicht erwarten können,
sie an diesem Abend zu finden...
Ich war auch schon vielen Frauen
begegnet, die zumindest für eine begrenzte Zeit Ischtar gewesen
waren - oder auch nicht, zumindest waren sie, wenn sie auch nicht
Ischtar waren, etwas, was sie zumindest teilweise personifizierte.
Mein Appartement war überheizt.