Auf den Spuren Hannes Waders

Bei der National Bank of Greece tauschte ich einen Eurocheque gegen eine größere Summe griechischer Drachmen ein.
Mit einem Olympik AIRWAYS Bus fuhr ich eine halbe Stunde später zum National Terminal, um mir bei Olympik Airways mein Ticket abzuholen.
Eine typische dunkelhaarige Griechin in der typischen blauen Olympikuniform sagte nur.
"Departure Terminal B!"
"Vielen Dank, meine Dame!"
Ich deutete eine Verbeugung an und begab mich in die angegebene Abflughalle.
Die Halle war brechend voll, so daß ich mich auf einen Tisch setzen musste.
Ich sah mich um.
Reisende aus allen Gegenden der Welt, Asiaten, Afrikaner, Weiße und Griechen, die eindeutig als solche zu identifizieren waren.
Den größten Anteil machten laut schnatternde amerikanische Weltbürger aus, die die ganze Welt als ihr Eigentum betrachteten und dementsprechend handelten.
Draußen, vor dem vollklimatisierten Gebäude, brannte die Sonne vom Himmel und beleuchtete den dunstigen Athener Flughafen, versuchte die Rümpfe der verschiedensten Flugzeugtypen auszubleichen, erhitzte den Beton der Start- und Landebahnen und ließ die Luft darüber flimmern.
Zwischen modernen Großraumflugzeugen und in die Jahre gekommenen Boing 747 und Lockheet Tristar entdeckte ich zwei alte Propellermaschinen, deren Bespannung, denn etwas anderes als eine Bespannung konnte der Rumpf nicht sein, rußgeschwärzt war, von den Abgasen der Turboprobtriebwerke, die die Propeller antrieben. Die weißblaue Färbung, die unter dem Ruß-und Staubfilm durchschimmerte, ließ sie mich eindeutig als Maschinen der nationalen Fluggesellschaft Olympik Airways identifizieren.
Ich fragte mich, ob diese Seelenverkäufer der Lüfte noch benutzt wurden und wenn ja, was sie beförderten. In den fünfziger Jahren war ich schon einige Male mit diesen Geräten geflogen, als ich aus den Staaten gekommen war und einige Jahre in Griechenland verbracht hatte um mich von Norma-Jeans Borderliner-Syndrom zu erholen.
Da ich noch zwei Stunden Zeit hatte, bis mein Flug nach Mykonos aufgerufen werden würde, kramte ich meine derzeitige Lektüre, Cosmic Trigger von Robert Anton Wilson aus der Reisetasche, die für den Inlandflug ohne Schwierigkeiten als Handgepäck akzeptiert worden war.
Immer wieder wurde ich in meiner Konzentration gestört und gezwungen, aufzublicken, wenn nervtötende Amerikanerinnen jeden Alters in meiner Nähe allzu laut schnatterten, als gelte es, zufällig getroffenen Landsleuten ihre ganze Lebensgeschichte zu offenbaren.
In meiner Nähe stand eine Blonde, deren Hautfarbe dermaßen sonnengegerbt war, daß das Gesicht, die Arme und die Beine deutlich dunkler waren, als die ausgebleichten Haare.
Sie wirkte wie eine lebende Litfasssäule mit der Aufschrift: Ich glaube nicht an das Ozonloch!
"George and I come from San Fran! We have three weeks for Europe and..."
Die Halle hatte sich geleert, denn immer wenn irgendwelche Aufrufe über die scheppernde Lautsprecheranlage durch den großen Raum dröhnten, standen einige Leute auf und verschwanden in der angegebenen Richtung.
Ich las weiter.
Es war sicherlich mindestens eine Stunde vergangen, als ich auf eine Durchsage aufmerksam wurde und aufblickte.
Der Raum hatte sich so weit geleerte, daß ich keine Schwierigkeiten hatte, die Anwesenden zu zählen.
Die Durchsage war zunächst in griechischer Sprache gewesen und ich hatte nur ein Wort, wie Mikono verstanden und am Schluss das obligatorische epharisto.
Ich würde mich wohl noch einige Stunden an die Besonderheiten der griechischen Sprache gewöhnen müssen, bevor ich sie verstand.
"May I have your Attention please! Passangers, flight nomber twentythree to Mykonos, are ordered to wait at gate nomber four!"
Außerhalb des Flughafengebäudes hatte es bereits begonnen dunkel zu werden, die Flugzeuge waren an Positionslichtern zu erkennen und die Start-und Landebahnen wurden durch zahllose Lichter erhellt.
Na gut, Gate vier.
Das Gate war nicht sehr weit entfernt und ich fand mich als einer der ersten dort ein.
Meine Bordkarte trug die Nummer zwei A.
Reihe zwei, Sitz A?
Ich begann, meine Mitreisenden durchzuzählen.
Ich kam genau auf dreißig Personen, wenn ich mich mitzählte.
Das war ja aufwendig, denn die für schlappe dreißig Leute einen Jet starteten, wenn sich allerdings nicht mehr Passagiere fanden...
Eine Stewardess erschien und machte sich bereit, das Gate zu öffnen.
Ich nutzte die Zeit, um mir meine Mittouristen genauer anzusehen.
Mehr als fünfzig Prozent Amerikaner, vielleicht zehn Prozent Deutsche, der Rest Engländer, Japaner und natürlich Griechen.
Die Stewardess telefonierte und motzte in den Hörer, wie es nur Griechen-und Innen konnten.
Wahrscheinlich hatte sie Schwierigkeiten, einen dieser Sattelschlepperbusse herzuzitieren, die Touristenladung für Touristenladung von den Gates zu den Flugzeugen und zurück transportierten.
Es dauerte einige Minuten und der erwartete Bus erschien tatsächlich.
Zumindest war das ein Garant dafür, daß man uns nicht in einen dieser Seelenverkäufer der Lüfte verfrachten würde!
Mit neunundzwanzig Mitpassagieren und einer Stewardess betrat ich den Sattelschlepperbus, der von einer Mercedes Zugmaschine gezogen wurde.
Das obskure Fahrzeug setzte sich in Bewegung und drehte eine kleine Platzrunde.
Ich musste lachen!
Der Bus hatte doch tatsächlich im Radius seines Wendekreises gedreht und wir konnten direkt vor einer der alten museumsreifen Maschinen aussteigen.
Das lautstarke Geschnatter meiner Mitpassagiere verstummte jäh.
Die Stewardess verkniff sich ein Lachen, was zu einer ziemlich unansehnlichen Grimasse führte und ich ließ meiner Erheiterung freien Lauf.
Immerhin war es nicht das erste Mal, daß ich mein Leben einer solchen Maschine anvertraute.
Mit meiner Platzkarte und dem Gepäck quälte ich mich seitlich durch den engen Mittelgang.
Auf der linken Seite verfügte das Flugzeug über eine Sitzreihe, an die sich sofort der `Mittelgang' anschloss, wogegen es auf der rechten Seite einen Doppelsitz gab. Tatsächlich, Reihe zwei, Sitz A!
Ich quetschte mich auf den Sitz und verstaute meine Reisetasche darunter.
Rechts neben mir, jenseits des Mittelganges nahmen zwei sichtlich eingeschüchterte Amerikanerinnen Platz, sie besetzten die Plätze B und C der zweiten Reihe.
Vor mir saß ein sichtlich besoffener Schwede und die Plätze B und C der ersten Reihe wurden von einem älteren amerikanischen Paar belegt.
Meine Mittouristen waren ungewöhnlich schweigsam geworden.
Vor uns gab es eine Schiebetür, die zum Cockpit führte und halb geöffnet war.
Zwei Piloten konnte ich erkennen, die eine reichlich abgegriffene Checkliste durchgingen und offensichtlich alle Funktionen zu ihrer Zufriedenheit vorfanden, denn mit lautem Getöse setzten sie die beiden Motoren in Bewegung.
Einige meiner Mittouristen wurden noch bleicher, als das Flugzeug sich nach einigen Minuten langsam in Bewegung setzte, um der Rollbahn entgegenzurumpeln.
Die Durchsagen des Piloten waren knapp und abgehackt.
Mit einigen Schwierigkeiten verstand ich den harten Akzent.
Noch in der Kurve, die zur Startbahn führte, sah ich, daß der Pilot die beiden Hebel, die für die Leistungsausbeute der beiden Motoren verantwortlich waren, mit einem entschlossenen Ruck, nach vorne schob.
Beide Motoren heulten vernehmlich auf und mit vehementer Beschleunigung wurde das Flugzeug nach vorne gezogen.
Als ich die Gesichter meiner Mitpassagiere sah, musste ich ein Grinsen unterdrücken. Die schienen tatsächlich mit ihrem Leben abgeschlossen zu haben.
Vielleicht sollte ich sie fragen, ob sie der Meinung waren, die nationale Fluggesellschaft hätte täglich mehrere Abstürze gerade dieser alten Maschinen zu beklagen und ob dann nicht bald alle diese Maschinen durch Absturz aus dem Verkehr gezogen seien.
Aber ich schwieg und sah dem Piloten zu, als er die Maschine hochzog, wie eine Cesna.
Ein Raunen ging durch die Reihen.
Das Flugzeug gewann schnell an Höhe und neigte sich sofort zur Seite, um eine Linkskurve zu fliegen, die uns über das Meer zwischen Piräus und Ägina brachte.
Nach kurzer Zeit ging die Maschine in einen horizontalen Flug über und der Pilot griff zum Mikrofon, um eine Durchsage zu machen.
Als der griechische Text beendet war, kam die englische Version, der alle Passagiere größte Aufmerksamkeit zollten.
"May I have your Attention please..."
Der Akzent war gewohnheitsgemäß sehr schwer zu verstehen, aber ich konzentrierte mich so gut es ging.
Nach gehörter Durchsage lehnte ich mich zufrieden zurück.
Jemand stieß mich an.
Es handelte sich um eine Amerikanerin, die mich unsicher ansah und bat, ihr die englischsprachige Durchsage in ein verständlicheres Englisch zu übertragen. Es amüsierte mich, daß die Amerikaner und Engländer größere Probleme mit dem griechischen Akzent hatten, als ich.
Als °gewandter Weltbürger° war es mir eine Selbstverständlichkeit, meinen Mitpassagieren diesen Dienst zu erweisen. Bei allen weiteren Durchsagen wartete ich nicht erst auf die Aufforderung, sondern reagierte bereits auf die verständnislosen Blicke.
Der Flug verlief erwartungsgemäß störungsfrei. Nach etwa zwanzig Minuten tauchten unter uns Lichter aus der Dunkelheit auf.
Das konnte nur die Insel sein.
Es war für mich das erste Mal, daß ich mit dem Flugzeug hierher kam. Bisher war ich immer mit einem Schiff hergekommen, zuletzt mit der Alkyon.
Der Pilot flog einen großen Bogen und landete schließlich auf dem kleinen Flugplatz, oberhalb der kleinen Ortschaft, die an einer malerischen Bucht lag.
Das Auschecken ging erfreulicherweise sehr schnell von statten und in der Empfangshalle warteten schon einige Leute, die ihre Hotels anpriesen.
Ich nahm ein Taxi und ließ mich in die City des Ortes fahren, um zielstrebig das Hotel Karboni aufzusuchen, in dem ich vor einigen Jahren für einen Sommer abgestiegen war.
Ich war angekommen.








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