Redaktionskonferenz im Harz (zweiter Versuch)

Wir erinnern uns sicher, daß es da 'mal eine Zeitungsausgabe mit einer Redaktionskonferenz im Harz gegeben hat, oder?
Jedenfalls erinnern wir, von der Redaktion uns genau daran. Wir waren damals in den Harz gefahren, für interessierte Leser, daß war ein Plusquamperfekt, und hatten eigentlich beabsichtigt, da, im Harz, eine Redaktionskonferenz abzuhalten. Nur, daß wir, als wir dann wieder zuhause waren, erst feststellen mußten, daß wir eigentlich alles mögliche gemacht hatten, nur, daß keiner an die geplante Redaktionskonferenz gedacht hatte. Was war also naheliegender, als es noch einmal zu versuchen?!
Wir waren beim zweiten Versuch in einer anderen Besetzung angetreten.
Herr P. G. Z. (der Poet in unserer Mitte) hatte bezüglich seines Mitwirkens in der Zeitungsgruppe aufgegeben und Alfons B. war leider einen Tag bevor wir fuhren erkrankt, so daß er nicht an dieser Fahrt teilnehmen konnte. Glücklicherweise hatte mittlerweile das Engagement von Rosemarie P. und Walter K., genannt Charlie, dermaßen zugenommen, daß sie an der Redaktionskonferenz im Harz teilnehmen wollten. Herr Eugen G. war dabei, wie beim ersten Mal!
"Also stiegen wir in unseren VW-Bus, packten uns Hacken und Schaufeln..."
Sorry, das war aus Alice's Restaurant.
Wir fuhren also mit unserem relativ betagten VW-Bus am 02.05.1997 in den Harz, also einen Tag nach der Walpurgisnacht.
Frau P. tat zunächst ununterbrochen kund, es ginge ihr schlecht, wegen der Tropfen und weil der Neurologe Dr. XXX* sie seinerzeit falsch behandelt habe.
Es ging ihr auch noch schlecht, als wir durch den Harz fuhren, als wir im Hotel waren usw.. Eigentlich konnte man sagen, es ging ihr immer schlecht und es gab nur wenige Augenblicke zwischendurch, in denen sie nicht davon redete.
Andreas litt auf dieser Fahrt nicht unter Verstopfung.
Ich hatte nicht mit einem Bongo auf der Schiefen Ebene zu kämpfen.
Ute suchte nicht in unseren Koffern nach Seife.
Charlie rauchte wie ein Weltmeister und erwies sich ansonsten als ein sehr angenehmer Mitreisender.
Unser alter blauer VW-Bus, von vielen verdammt, zeigte sich mal wieder von seiner angenehmsten Seite, immerhin hat er seit Mai 1990 191000 km unsere Bewohner zu vielen Zielen im Umkreis von gut tausend Kilometern gebracht und diese Fahrt in den Harz sollte nun seine letzte größere sein.
Seltsam erschienen uns die Zusammenhänge zwischen Fr. Ps. Tropfen und ihrem Verlust an Wohlbefinden.
Dadurch, daß der Verkehrshinweis im Radio uns in eine andere Richtung gelenkt hat, hatten wir das seltene Erlebnis einen Wasserfall zu sehen, den es eigentlich gar nicht gab.
Kurz vor Bad Harzburg sprudelte ein imposanter Wasserfall aus einem Berg; Touristen, so auch wir, posierten für Photos und erkletterten den Hang links und rechts dessen, was wir immer noch für einen Wasserfall hielten.
Nun, wenn die ganzen Touristen diesen Berg erklimmen mußten, durften wir nicht nachstehen. Also machten wir uns die Mühe, Frau P., Andreas und ich erkämpften uns den Weg zu dieser Aussichtsplattform, die man von unten so gut sehen konnte und die immer wieder von winkenden Touristen frequentiert wurde. Der Anblick war grandios, doch auch die folgende Erkenntnis konnte sich sehen lassen. Hinter dem Wasserfall befand sich ein Kanal, der eindeutig von Menschenhand geschaffen worden war, wieder Plusquamperfekt, der schon zur Zeit der Jahrhundertwende konstruiert worden sein mußte, was man anhand der alten Bäume erkennen konnte, die an den Befestigungshängen des Kanales wuchsen. Als wir dem Kanal, der geschickt am Hang entlang verlief, einige Hundertmeter weit gefolgt waren, fanden wir sogar noch ein regulierbares Wehr, mit dem man die Intensität des beeindruckenden Wasserfalls verändern konnte.
Von meinem Vater erfuhr ich später, daß er diesen Wasserfall 1937 besucht habe und ein ähnliches Bild von ihm existiere, wie Andreas es von mir gemacht hatte.
Jedenfalls kamen wir irgendwie irgendwann nach Wernigerode, was sich irgendwo im Harz befindet.
In der Fußgängerzone, die wir von unserem letzten Harzaufenthalt kannten, fanden wir ein Restaurant namens Ratskeller. Charlie machte den Ober sofort auf seine Bestellung aufmerksam, noch bevor er die Karte in der Hand hielt:
"Wiener Schnitzel mit Kroketten!"
Das Essen war gut und jeder fand etwas nach seinem Geschmack - und das zu absolut zivilen Preisen und in einer gediegenen Atmosphäre.
Unser Hotel in Wernigerode, Hotel Stadt Wernigerode, war eine deutliche Steigerung gegenüber der Pension in der wir bei unserem letzten Harzaufenthalt abgestiegen waren. Auch wenn es noch zu DDR-Zeiten gebaut worden war, war doch der Sevice und die Ausstattung genau das, was uns im letzten August gefehlt hatte. Die Zimmer waren gut eingerichtet und auch unsere Wasserwaage deutete keine Schieflage an.
Das Frühstück erwies sich als reichhaltig und abwechslungsreich, nachdem wir eine ruhige erholsame Nacht verbracht hatten, nur angenehm gestört, durch das vernehmliche Pfeifen alter Dampfloks, die in regelmäßigen Abständen schnaufend Züge durch den Ort zogen.
Der erste Zielpunkt unserer Harzbesichtigungstour war das Schloß in Wernigerode, in dem wir anschaulich erleben konnten, wie arm sogar die Könige der letzten Jahrhunderte waren. Kein Fernseher, kein Kühlschrank, keine Zentralheizung und sogar, in Burgen mit mehreren Stockwerken, keine Aufzüge. Dafür gab es in jedem Zimmer einen Kamin.
Bevor wir die Könige der Vorzeit zu sehr bedauern mußten, machten wir uns dann doch lieber auf, um nach Quedlinburg zu fahren, einem Ort in der Nähe, der international als erhaltenswertes Kulturgut in Europa eingestuft wurde.
Vorbei an Teufelsmauern und Hexentanzplätzen...
Vielleicht hätten wir doch die Walpurgisnacht hier verbringen sollen?!
In Quedlinburg kamen uns wieder Gedanken an das, was die Bürger der ehemaligen DDR die ganzen Jahre gemacht haben müssen, denn der Ort sah noch genau so aus, wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Andererseits kann man froh sein, daß die ehemaligen DDR-Bürger, aus welchen Gründen auch immer, nicht die Fehler gemacht zu haben scheinen, die man in unseren Städten und Gemeinden in den sechziger und siebziger Jahren beging.
Wir konnten uns freuen, als wir Züge sahen, die von Dampfloks gezogen wurden, als wir Trabants und Wartburgs sahen, die aber auch in den sogenannten Neuen Bundesländern immer seltener werden, weil sie doch Zeugnis über eine Zeit abgeben, die immerhin vierundvierzig Jahre gedauert hat. Möglicherweise werden wir in zwanzig oder dreißig Jahren gar nicht mehr auf die Spuren dessen treffen, was unsere Eltern noch Ostzone nannten.
Die Gebäude in diesem Ort scheinen zu keiner Zeit der glorreichen DDR vorgezeigt worden zu sein, denn ansonsten hätte man zumindest irgendwelche Straßen mit den dazugehörenden Gebäudekomplexen in einen vorzeigbaren Zustand versetzt. Erst in den Jahren seit 1989 begann dann das, was ich am liebsten Wiederaufbau nennen würde, obwohl ich nicht verstehe, warum man damit vierundvierzig Jahre gewartet hat.
Von einem Passanten in Quedlinburg wurde ich auf meine Vorrichtung zur 3D-Photographie angesprochen. Als er die Kameras eindeutig als DDR-Ware der Firma Pentacon identifiziert hatte, erzählte er mir, es sei immer wieder behauptet worden, die Kameras der Firma Pentacon seien in den DDR-Gefängnissen von den dort einsitzenden Strafgefangenen zusammengebaut worden. In den dortigen Knästen scheint man gute Arbeit geleistet zu haben.
Aber wir sollten hier nicht über Dinge schreiben, die wir sicher nicht verstehen werden.
Was verstehen angeht, können wir viel besser über das Essen berichten.
Unser Charlie hat den ganzen Samstag sehr geschickt darauf hingearbeitet, uns dahingehend zu beeinflussen, daß wir in unserem Hotel das Abendessen einnahmen. Wir schafften es zwar nicht, ihn dazu zu überreden, uns den wahren Grund seines Wunsches mitzuteilen, aber irgendwann äußerte er, es ginge ihm um die lieben schönen Frauen, die da arbeiten würden. Um das sofort klarzustellen, bei den lieben schönen Frauen, die unseren Charlie so fasziniert hatten handelte es sich nicht um arme Frauen, wie wir sie in Amsterdam angetroffen hatten.
Dann als wir endlich im Hotel zum Abendessen saßen und an nichts böses dachten, geschahen Dinge, die uns doch an ein Horrorkabinet denken ließen und an unseren Besuch im berliner Wachsfigurenkabinett erinnerten.
Man nannte die ganze Angelegenheit Folkloreabend.
Da standen also Menschen hinter Mikrophonen, die sich in seltsame Gewänder gehüllt hatten, benutzten Gegenstände, die sie als Musikinstrumente bezeichneten und begannen einen fürchterlichen Lärm zu veranstalten, bei dem es glücklicherweise zu regelmäßigen Unterbrechungen kam. Die Leute, die sich diesen Lärm angehört hatten ließen voller Freude rhythmisch ihre Hände zusammenprallen wodurch ein stakkatoartiges schallendes Geräusch entstand, was zumindest kurzzeitig zur Geräuschübertönung führte. Wir hatten einige Mühe diesen Ort zu verlassen und uns in Sicherheit zu bringen. Die besonders von den Frauen auf der Bühne ausgestoßenen Geräusche schienen traditionell begründet zu sein, wir können uns zwar nicht vorstellen, wie seinerzeit die Hexen im Harz geschrieen haben, als sie gefoltert wurden, aber andererseits können wir uns auch nicht vorstellen, daß es sich großartig anders angehört hat.
Diese seltsam verkleideten Gestalten könnte man vielleicht noch beschreiben, allerdings sollten wir das unseren geneigten Lesern ersparen.
Wir gingen noch kurz in die hoteleigene Bar und begaben uns danach zur Ruhe.
Als wir am Sonntag erwachten, fehlte etwas.
Die Sonne hatte sich hinter Wolken zurückgezogen.
Während eines Tankstops in Braunlage ermittelten wir, daß unser blauer VW-Bus nur 9,8 Liter Benzin auf einhundert Kilometer verbraucht hatte, was eine gute Leistung ist, wenn man bedenkt, daß viele Kollegen ihm einen wesentlich höheren Verbrauch bescheinigen.
Als wir diese Tankstelle verlassen wollten, gab es ein höchst erfreuliches Getöse; gut dreißig laut aufbrüllende Motoren von Motorrädern der amerikanischen Firma Harley-Davidson legten einen Tankstop ein.
"Es wird nicht regnen," sagte Charlie und sollte tatsächlich recht behalten.
Trotz der bedrohlich tief hängenden Wolken fuhren wir ins Okertal, wo wir al unseren letzten Aufenthalt im August 1996 anknüpfen wollten. Andreas erhielt ausreichend Gelegenheit angesichts der geballten Natur zu relaxen, Charlie konnte rauchen, so viel er wollte und Herr G. konnte sich als Meister des Small-talk beweisen.
Wir hatten offensichstlich ganz versäumt, auf Utes Erkrankung der Nase und derer Nebenhöhlen hinzuweisen, denn erst im Okertal gab sie an, wieder etwas schmecken zu können. übrigens konnte unser Alfons aufgrund einer Erkrankung ähnlicher Natur nicht an dieser Fahrt teilnehmen.
Kaum waren wir im Okertal ausgestiegen, entdeckten wir, daß hinter den sich verziehenden tiefhängenden Wolken doch tatsächlich die Sonne schien und sich immer stärker bemerkbar machte.
Ein Ausspruch von Heinz B. aus dem Wohnbereich A fiel uns ein:
Die Sonne scheint, die Sonne sticht,
die Blöden geh'n zur Mittagsschicht.
Da Charlie die ganze Fahrt über den Wunsch geäußert hatte, noch einmal in seinem Leben nach Osterode zu kommen, suchten wir diesen Ort dann auf der Rückfahrt auf. Merkwürdigerweise hatte nicht ein einziger gastronomischer Betrieb, mit Ausnahme der Eisdiele, geöffnet.
Das heißt, bis Ute einen Italiener gefunden hatte, der bei näherem Hinsehen gar kein Italiener war, sondern ein nettes kleines Bistro, in dem wir trotzdem Lasagne usw. essen konnten. Wir zogen es vor auf Grund der nicht enden wollenden Giftgasattacken durch Charlie und Herrn Eugen G., diese Mahlzeit an einem anderen Tisch einzunehmen, wodurch unsere beiden rauchverzehrenden Mitreisenden ohne durch uns gestört zu werden ihren Neigungen nachkommen konnten.
Ob das Essen unseren Rauchverzehrern schmeckte, konnten wir nicht beurteilen, jedenfalls war es auch hier wieder die Rückreise, die zu der Erkenntnis führte, was wir im Harz nicht gemacht sondern vergessen hatten, die Redaktionskonferenz!



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