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Des Künstlers Seele in der Flasche



Auf dem Tisch vor mir steht eine verstöpselte Flasche.
In dieser ist meine Seele eingesperrt wie der Geist in dem Märchen aus dem Orient.
Soll ich den Stöpsel herausziehen, damit sie sich im Raume und darüber hinaus verbreiten kann?
Ich weiß es nicht und bin schon im Begriff in den Spiegel zu schauen aber ich fürchte, dass ich mich darin schon jetzt nicht mehr wiedererkennen würde, also unterlasse ich es.

Ja käme ich dazu, mich auf mich selbst zu besinnen - ach ich bin überhaupt viel zu sehr beschäftigt, kann ich dagegen wohl etwas machen?

Jetzt würde ich wohl den Stöpsel herausziehen können, bedenke aber nun, dass dieser seelische Nebel sich wohl an den Wänden und in allen Ecken anschmiegen, gleichzeitig aber auch einen nicht vorauszuahnenden nicht gewollten Druck erzeugen könnte.

Habe ich auch wirklich an alles gedacht?!
Meine Gedanken kreisen wie in ihrem eigenen Gefängnis, welches in der Seele seinen Ausdruck findet, während meine Stirn sich in den Flächen meiner Hände vergräbt, die mit dem Rücken auf dem Tisch liegen.

Es schweben nun die Wünsche mit sehnsüchtigem Flügelschlag durch den Raum, als wollten sie sich über ihr eigenes Unvermögen hinwegsetzen.
Sie sinken wieder hinab und es bleibt alles wie es ist.
Es ist mir nun alles egal bis auf das Eine.
Man mag nun fragen: Was ist denn nun mit diesem Einen?

Ja, wenn doch die elastische Zeit in diesem Augenblick schneller vergehen könnte - würde sie aber auf Dauer schneller vergehen, so würde das für Einen auch ein schnelleres Älterwerden bedeuten - .
Aber die Zeit ist nun sowohl einerseits dehnbar, als auch andererseits zusammenpressbar.
Ja, zwischen der Null und der Eins dehnt sich die ganze Unendlichkeit.

Ich wollte, ich könnte meinen Kopf noch tiefer senken, was aber naturgemäß am Widerstand des Tisches scheitert.
Nun weiß ich auf einmal nicht, ob ich geschlafen habe.
Doch es erscheint mir jetzt auf einmal alles so leicht und einfach zu sein, als müssten es selbst die Primitiven durchschauen können!

Ja könnte man hinabsinken auf die Stufe eines Tieres, so würde man diese Erniedrigung zunächst genießen. Alsbald sich aber der Kopf wieder erheben würde. Um dann triumpfgeladen in die Runde blickend - in drehender Bewegung zu verharren.

Ich habe nun den Stöpsel hinausgezogen und der Nebel der Seele hat sich nach überallhin verbreitet, so dass alles Sichtbare darin verschwunden ist.

Könnte jetzt womöglich die Selbstbesinnung einsetzen?
Denn es drängt nun auch die Zeit, wobei ich auch immer darauf bedacht sein muss, mich von dieser, ach so üblichen innigen Art zu lieben zu entfernen, die dann ja auf dem Altar der Lust geopfert wird, damit endlich klar wird, dass das so genannte Böse ja das eigentlich Gute ist - und das bisherige Gute?
Ach es ist wohl ganz einfach die blanke Feigheit!



Paul Gerhard Zimmermann

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