Herbert Winter hatte ein Problem. Einerseits wollte er seinem Enkel den Zauberlehrling von Goethe vorlesen, andererseits musste er erkennen, dass dieser Text alles andere als kindgerecht war. Was tun? Er baute um das Gedicht eine Geschichte und schon funktionierte die ganze Sache.

Harald und der Besen

Damals, als Harald Töpfer noch jung war, hat er eine Lehre gemacht. Und weil Harald Töpfer heute ein Zauberer ist hat er eine Lehre beim...

Na, Ihr wisst schon, wo er seine Lehre machte.

Und als sein Meister eines Abends einen alten Freund besuchen wollte, der auch Zauberer war, blieb Harald Töpfer allein zurück.

Nun, der alte Zauberer hatte es nicht versäumt, ihm einen Auftrag zu geben.

"Wenn ich heute Abend wiederkomme, will ich mich schön in die Badewanne legen und baden!"

Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie man damals, als Harald Töpfer noch klein war, gebadet hat.

Man holte mit Eimern Wasser und goss es in die Wanne, die man im wärmsten Raum des Hauses aufgestellt hatte.

Was denkt Ihr wohl, welcher Raum war der wärmste?

Welcher Raum wurde früher immer geheizt?

Und wie wurde dieser Raum geheizt, es gab ja noch keine Heizkörper, an denen man nur an einem Rad drehen musste, um es warm zu bekommen.

Der alte Zauberer machte sich auf den Weg zu seinem Freund.

Harald Töpfer sah ihm nach, wie er sich auf seinen Sonntagsabendsausgehbesen setzte und hui, davonflog.

Zum Glück war nicht Winter und die Zinkwanne stand nicht in der Küche, sondern im Wohnzimmer. Das Wohnzimmer war näher am Brunnen, aus dem Harald das Wasser heraufkurbeln musste.

Es gab an diesem Brunnen eine Kurbel.

An der Kurbel war ein Seil befestigt und an dem Seil hing ein Eimer.

Es gab noch keine Wasserleitung.

Man kurbelte so lange Eimer für Eimer herauf, bis man die Badewanne mit Wasser gefüllt hatte. Das waren immer mehr als zwei Eimer, ja es waren sogar mehr als sieben Eimer.

Die Finger an Haralds Händen reichten nicht aus, die Eimer zu zählen, er musste noch die Zehen seiner Füße zur Hilfe nehmen, dann kam er ungefähr hin.

Der alte Zauberer war größer und dicker als Harald, also brauchte er um zu baden weniger Wasser, wenn er die Badewanne voll haben wollte.

Er brauchte so viele Eimer Wasser, wie Harald Finger und Zehen hatte, wenn er seine Daumen mitzählte.

Wenn der alte Zauberer gebadet hatte, badete danach immer Harald in dem Wasser, in dem vorher der alte Zauberer gesessen hatte.

Wenn Harald aber auch eine volle Badewanne haben wollte, musste er noch so viele Eimer Wasser in die Wanne schütten, wie er Finger an einer Hand hatte, wenn er den Daumen nicht mitzählte.

Der alte Zauberer war nicht da und wenn er wiederkam wollte er baden.

Aber hatte Harald wohl Lust dazu, so viele Eimer Wasser aus dem Brunnen heraufzukurbeln, wie seine Füße Zehen und seine Hände Finger hatten, wenn er die Daumen mitzählte?

Was meint Ihr, hatte Harald Lust?

Was hatte der alte Zauberer immer gemacht bevor Harald sein Lehrling geworden war?

Harald erinnerte sich.

Als er damals in das Schloss des alten Zauberers gegangen war um sein Lehrling zu werden, hatte er da nicht gesehen, dass einer der Besen wie von Geisterhand geführt die Küche ausfegte?

Hatte er nicht auch neulich gesehen, dass der alte Zauberer einen neuen Besen gekauft hatte?

Und hatte der alte Zauberer diesen Besen nicht sofort zu seinem Sonntagsabendsausgehbesen

gemacht?

Ja, Harald hatte es genau gesehen.

Der alte Zauberer hatte den Besen gekauft, so wie jeder einen Besen kaufen kann.

Aber kann man mit jedem Besen fliegen, wie es Zauberer und...

Da gab es doch noch andere Leute, die auf Besen fliegen.

Wisst Ihr vielleicht, wie sie heißen?

Wenn jeder mit einem Besen fliegen könnte, würden wir ja wohl den ganzen Tag über immer nach oben sehen müssen, weil wir immer wieder jemanden auf einem Besen fliegen sehen würden.

Hat von Euch schon 'mal jemand einen fliegenden Besen gesehen?

Harald hatte immer nur den alten Zauberer und seinen Freund, einen anderen Zauberer auf einem Besen fliegen gesehen.

Und in der Walpurgisnacht die Hexen.

Harald hatte genau gesehen, was der alte Zauberer gemacht hatte, als er seinem neuen Sonntagsabendsausgehbesen das Fliegen beibringen wollte und es hatte geklappt, denn schließlich war der alte Zauberer ja wohl mit seinem neuen Sonntagsabendsausgehbesen davongeflogen.

Was der alte Zauberer konnte, konnte Harald schon lange.

Er nahm das dicke alte Buch, in dem der alte Zauberer die ganzen alten Zaubersprüche aufgeschrieben hatte.

Harald schlug die Seite auf, in die der alte Zauberer einen Knick gemacht hatte, um sie immer wieder zu finden.

Nun Harald konnte noch nicht alle Wörter lesen, aber er erinnerte sich genau, was der alte Zauberer für Wörter gesagt hatte, auch wenn er sie nicht verstand und nicht lesen konnte.

Hättet Ihr das jetzt auch ausprobiert?

Oder hättet Ihr das Wasser aus dem Brunnen heraufgekurbelt?

Harald stellte einen Besen bereit.

Im Haus eines Zauberers gibt es immer genug Besen, wie es auch immer genug Besen im Haus einer Hexe gibt.

Und dann hatte er den Text gefunden.

Lesen konnte er ihn nicht so richtig, aber wozu hatte er dem alten Zauberer immer zugehört, wenn er gezaubert hatte.

Das war ja einfach!

Nun wusste der Besen genau was Harald wollte.

Tatsächlich begann der Besen sich zu bewegen.

Jedoch ging er nicht zum Brunnen, sondern zum Ufer des nahen Flusses.

Hatte der alte Zauberer nicht immer gesagt, dass das Wasser aus dem Fluss besser zum baden geeignet sei?

Nun gut, wenn der Besen zum Fluss ging war das ja noch besser.

Der alte Zauberer würde sich so richtig freuen, wenn er im Wasser aus dem Fluss baden konnte und er würde dann den Harald so richtig loben.

Und wie schnell der Besen läuft.

Der Harald freut sich richtig.

Noch ein bis zwei Mal muss der Besen laufen, dann kann er aufhören, dann ist genug Wasser in der Wanne, dann kann der alte Zauberer baden, wenn er heimkommt.

Nun ist es gut, die Wanne ist voll und der Besen kann aufhören.

Harald ruft ihm zu.

Und der Besen läuft weiter.

Immer wieder geht er zum Fluss.

Immer wieder holt er zwei Eimer gleichzeitig, um sie in die Wanne zu gießen.

Die Wanne läuft schon über und der Besen ist schon wieder unterwegs zum Ufer des Flusses.

"Halt! Halt, du alter Besen bleibe endlich stehen!"

Doch es nützt nichts, der Besen läuft weiter und holt immer wieder zwei volle Eimer Wasser aus dem Fluss.

Das Wohnzimmer steht schon unter Wasser und das Wasser fließt schon die Treppe hinunter.

Was soll der arme Harald nur machen?

Immer wieder kommt der Besen zurück und gießt zwei volle Eimer in die überlaufende Wanne.

Er versucht den Besen festzuhalten und ihn wieder in die Ecke zu stellen, wo er hingehört.

Doch der Besen läuft unbeirrt weiter und Harald wird mitgezogen, als sei er gar nicht da.

Was kann er nur tun, um den Besen zu bremsen?

Vielleicht weißt Du, was er machen kann?

Alle Zimmer stehen schon unter Wasser und nun fließt das ganze Wasser die Treppe hinunter in den Keller.

Da kommt dem Harald eine Idee.

Was soll der alte Zauberer sagen, wenn er zurückkommt?

Ist es schlimmer wenn der Besen kaputt gegangen ist, oder wenn das ganze Haus überschwemmt wurde?

Also denkt sich der Harald, wenn ich mit der Axt den Besen kaputt haue, dann kann er nicht mehr laufen, dann hört er auf, die Eimer in die volle Wanne zu gießen.

Mit einem einzigen Beilhieb haut der Harald tatsächlich den Besen in der Mitte durch.

Zwei halbe Besen liegen auf dem Boden.

Nun hat der Spuk ein Ende!?

Zwei Besen laufen nun zum Fluss und holen noch mehr Wasser für die Badewanne des alten Zauberers.

Da kommt der alte Zauberer zurück und sieht sofort was geschehen ist.

Und was meint Ihr, was er nun tut?!

Der Harald ist ganz verdattert und wird so etwas wohl nie wieder versuchen.

Der alte Zauberer ruft nun den beiden Besen zu:

Was meint Ihr?

Hat der Harald daraus etwas gelernt?

zurück zu Autorenagentur

made by: muellers-bueros